[AG
Architektur- soziologie] |
|
[Veranstaltung] |
[Bibliothek] | [Recherche] |
---|
Arbeitskreis Architektursoziologie
Arbeitskreis der Sektionen Kultursoziologie
und Stadt- und
Regionalsoziologie in der Deutschen
Gesellschaft
für Soziologie (DGS)
Aktivitäten:
22./23.6.2023, RTWH Aachen: Architektur, Technik, Organisation, organisiert von Jacqueline Lemm Workshop: Architektur, Gesellschaft, Digitalisierung Leipzig, 8./9. März 2019, organisiert von Heike Delitz und Thomas Schmidt-Lux ![]() Workshop: Empirische Methoden der Architektursoziologie Leipzig, 25./26.11.2016, organisiert von Silke Steets und Thomas Schmidt-Lux ![]() ![]() Workshop: Gesellschaften der Städte, Gesellschaften der Zelte. Architektonische Modi der kollektiven Existenz Societies of Cities, Societies of Tents. Architectonic Modes of the Collective Existence. Cross-cultural studies 26./27. Februar 2016, Universität Wuppertal Organisiert von Heike Delitz ![]() ![]() ![]() 22.-24. Mai 2014, Hamburg Organisiert von Hanna Göbel, Monika Grubbauer und Anna Richter ![]() 6.-8.6.2013, Universität Bielefeld, organisiert von Anna-Lisa Müller und Werner Reichmann ![]() 2./3.2.2012: The Making of Architects / Architecture in the Making ![]() 13./14.5.2011: Internationale Tagung in Wien, in Kooperation mit der Architekturfakultät der Technischen Universität Wien und der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie : ![]() ( ![]() 14.10.2010: Ad hoc Gruppe »Transitarchitekturen« zum Frankfurter Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS): Transnationale Vergesellschaftungen 12./13. Februar 2010: Workshop Leipzig Methoden der Architektursoziologie 8./.9.5.2009: Workshop Bamberg Rekonstruktion, Dekonstruktion, Konstruktion 8./9.2.2008 Workshop Darmstadt Materialität und Bildlichkeit der Architektur 26.2.2007 Arbeitstreffen Frankfurt/M. 13.10.2006 Ad hoc Gruppe 33. DGS-Kongress in Kassel Architektur als Verkörperung der Gesellschaft, 28./29.4.2006 Interdisziplinäre Tagung, Dresden Die Architektur der Gesellschaft 8.10.2004 Ad hoc Gruppe 32. DGS-Kongress in München Architektursoziologie The Making of Architects/Architecture in the Making Workshop der AG an der TU Darmstadt, 2.-3. Februar 2012 Organisiert von Dr. Monika Grubbauer und Dr. Silke Steets: ![]() Planen
und Bauen sind zutiefst komplexe Vorgänge. Ziel des
architektonischen Entwurfs ist es, Lösungen für
Problemstellungen zu liefern, die über räumlich-funktionale
Erfordernisse hinausgehen und ästhetische, soziale und kulturelle
Implikationen haben. Weder sind die Einflussfaktoren eindeutig
bestimmbar, noch können die Konsequenzen einzelner
architektonischer Lösungsstrategien vorhergesehen werden. Um der
„Heteronomie“ (Larson) der architektonischen Praxis zu
begegnen, haben Architekturschaffende unterschiedliche Strategien
entwickelt: vom Beharren auf künstlerischer Autonomie, der
Kultivierung eines autonomen Diskurses, dem Vertrauen auf Intuition
oder Technik bis hin zur Neudefinition des eigenen
Selbstverständnisses oder dem Versuch mit widerständigen
Praktiken die Abhängigkeit des Architekturschaffens von
ökonomischer und politischer Macht zu unterlaufen. Doch wie wirken
diese Strategien in der Praxis des Entwerfens und Planens?
Soziologischer gefragt: Auf welchen Möglichkeitsbedingungen
basiert die Produktion architektonischen Wissens?
Das
Ziel dieses Workshops ist es, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
des Planens und Bauens am Beispiel der Figur des Architekten/der
Architektin zu diskutieren. Welche Rolle spielen
Architekten/Architektinnen in verschiedenen Gesellschaften? Wie
entwickelte sich die Profession in der europäischen Tradition? Wie
außerhalb Europas? Was kennzeichnet die Ausbildung in der
Architektur? Wie funktionieren Wettbewerbe? Welche Rolle spielt die
Architekturkritik als Legitimation für das Bauen? Mit Blick auf
die Gegenwart erscheinen insbesondere globale, ökonomische
Einflussfaktoren auf das architektonische Handlungsfeld zentral zu
sein. Bauen ist heutzutage ohne die Einflüsse von Globalisierung,
Finanzmärkten und Immobilienwirtschaft nicht mehr zu verstehen.
Wie wirken sich Ökonomisierung und Internationalisierung auf das
architektonische Feld aus? Welche Akteurskonstellationen und
Netzwerke sind relevant? Welche Formen formeller und informeller
Regulierungen bestimmen das Architekturschaffen und auf welcher Ebene
sind diese angesiedelt? Und auf welche Wissensbestände greifen
Architekten/Architektinnen beim Agieren auf internationalen
Märkten und in internationalen Netzwerken zurück?
Vorläufiges Programm/provisional program Donnerstag/Thursday, 2.2.2012: 9.30 Welcome and Introduction I Design Processes 10.00 Kenton Card (BTU Cottbus) Architects of Objects or Architects of Balance 10.40 Felix Marlow (HCU Hamburg) The Classical Background: On the interdependency of professional and everyday practice using the example of family homes 11.20 Nicole E. Stöcklmayr (IKKM, Weimar) Actors in Architectural Design Competitions II Architectural Knowledge 13.00 Judith Reh (TU Darmstadt) Ground Course Design: The production of architectural knowledge at nine Technical Universities in Germany 13.40 Monika Kurath (ETH Zürich) Academizing Architecture: Design as a research practice 14.20 Dorothee Obermaier (Hochschule Darmstadt) Design Monopoly of the Producers of Space and Architecture: Professionals among themselves III Historical Perspectives 15.30 Niklas Naehrig (ETH Zürich) The »bon architecte« in Philibert Delorme's Premier tome de l'Architecture: A political architect? 16.10 Paul Anderson (California State University) »Il Capomastro Architetto« and the Making of Architects in Renaissance and Baroque Rome 16.50 Uta Karstein / Fanny Stoye (Universität Leipzig) t.b.a. 18.00 – 19.00 Paul Jones (University of Liverpool) Architecture as »Truth Spots«? Making Architecture and Making Claims Freitag/Friday, 3.2.2012 IV Political Frameworks 9.00 Rob Imrie (King`s College London) Architecture or Building and the Acculturation of the Architect 9.40 Luísa Veloso, João Sebastião, Joana Marques and Alexandra Duarte (CIES - Instituto Universitário de Lisboa) Architecture and Political Aims: The role of a public programme in the configuration of the architects' professional field 10.40 Simone Gheduzzi / Denise Tamborrino (Università degli Studi di Bologna) Towards Relational Aesthetics in the Ordinary 11.20 Serhat Ünaldi (HU Berlin) On His Majesty’s Service: Bangkok’s architects between autonomy and heteronomy V The Field of Architectural Production 13.00 Deborah Pellow (Syracuse University) »Everybody Thinks They Can Build«: Modern architecture in Ghana 13.40 Gillian Matthewson (University of Queensland) Making and Unmaking: Gender and the architectural profession 14.20 André Bideau (Harvard University) The Making of Autonomy VI Architects as Cultural Producers 15.30 Kim Förster (ETH Zürich) The Social and Intellectual Networks of the New York Institute for Architecture and Urban Studies: Cultural production of architects in times of crisis 16.10 Katrin Klitzke (HCU Hamburg / TU Hamburg) Ethnographic Perspectives on Practices of Knowledge Production, Representation and Cultural Networking by raumlaborberlin 16.50 Irene Hwang / Danielle Etzler (University of Michigan / Harvard University) With and Without Buildings: The physical and social products of architecture 18.00 End of Workshop The Workshop is sponsored by: LOEWE Research Area »The Intrinsic Logic of Cities«, TU Darmstadt Faculty of Architecture, TU Darmstadt Institute of Sociology, TU Darmstadt Urban and Regional Sociology Section German Sociological Association (t.b.c.) Organisation und Anmeldung: grubbauer [at] stadtforschung.tu-darmstadt.de. Alltagsarchitektur / Contemporary Vernacular Architecture Tagung der AG Architektursoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) in Kooperation mit der Architekturfakultät der Technischen Universität Wien und mit der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie (ÖGS) Organisation: Anita Aigner, Andrea
Schaffar, Robert Temel
Einleitung: Daniel Maudlin, TBD Vernakularisierung Kerry Fan, Vernacularized Architecture and the Culture of Imitation Anita Aigner, Vernacularization and back. Appropriation and Preservation of Modernist Social Housing – Case Study Pessac Julia Gill, VernacularPrefabs Günther Prechter, Zeitgenössische Austauschprozesse zwischen architektonischem und vernakularem Bauen. Befunde einer akteurszentrierten Studie am Beispiel Vorarlberg Transformation Anja Fischer, Ein Zelt in der Wüste: Die mobile Alltagsarchitektur der Imuhar-Nomaden in der Zentralsahara und ihre Transformationen Stefan Maneval, Der Wandel der Wohnarchitektur in Jidda (Saudi-Arabien) in den 1950er/60er Jahren Rudolf Gräf, Zigeunerpaläste. Die Architektur der Roma in Rumänien Eigenheim Michael Zinganel, Das Eigenheim. Wohnen zwischen Vernakulärem und Vernakularisiertem Oliver Schmidtke, Frank Schröder, Fertighäuser – Muster der standardisierten Individualisierung Heiko Lieske, Eigenheimgärten. Feldstudie zur Gartenkultur in Neubaugebieten Gegen 18.00: Treffen der AG Architektursoziologie Sonnabend, 14.05. Einleitung: Manfred Russo, Alltagsarchitektur und kultureller Wandel Methoden Lilli Licka, Gesa Withöft, Kontextualisierung des Alltags – Sozialraum- und Policyanalysen als Methoden zur Entwicklung nutzerInnenbezogener Entwurfskriterien im Wohnungsbau Marie Glaser, Von der Spur zur Biographie. Hausbiografien - eine narrative Methode zur Erforschung von Räumen Anna-Lisa Müller, Using architecture in everyday life. Eine kritische Reflexion methodischer Zugänge Monika Grubbauer, Architektur im Alltag: eine handlungstheoretische Betrachtung von Praktiken des Umbaus von Architektur durch Laien Wissen und Praxis Julia Girardi, Architektur der Arbeit – Arbeitsräume Andrea Schaffar, Robert Temel, Raumbilder, Bilder von NutzerInnen Silke Steets, Architektur – Alltag – Wissen Ad hoc Gruppe der Arbeitsgemeinschaft Architektursoziologie (Sektionen Kultursoziologie und Stadt- und Regionalsoziologie)
im Rahmen des 35. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie: Transnationale Vergesellschaftungen, Frankfurt am Main, 11.-15.10.2010 Website der ad hoc Gruppe auf der Kongresshomepage: http://dgs2010.de/ad-hoc-gruppe-transitarchitekturen Organisation: Heike Delitz (Bamberg); Stefanie Duttweiler (Basel); Silke Steets (Darmstadt)
Marc Augé zufolge geht transnationale Vergesellschaftung einher mit der »Vermehrung der bildlichen und imaginären Konnotationen und […] der spektakulären Beschleunigung der Verkehrsmittel. Sie führt konkret zu beträchtlichen physischen Veränderungen: zur Verdichtung der Bevölkerung in den Städten, zu Wanderungsbewegungen und zur Vermehrung dessen, was wir als ›Nicht-Orte‹ bezeichnen – im Unterschied zum soziologischen Begriff des Ortes, den Mauss und eine ganze ethnologische Tradition mit dem Begriff einer in Zeit und Raum lokalisierten Kultur verknüpft haben. Zu den Nicht-Orten gehören die für den beschleunigten Verkehr von Personen und Gütern erforderlichen Einrichtungen (Schnellstraßen, Autobahnkreuze, Flughäfen) ebenso wie die Verkehrsmittel selbst oder die großen Einkaufszentren oder die Durchgangslager, in denen man die Flüchtlinge kaserniert.« Mit der Ad-hoc-Gruppe Transitarchitekturen möchten wir unseren Blick auf Grenz- bzw. Transitarchitekturen werfen, das heißt auf konkrete architektonische Arrangements zwischen den Nationen und weltpolitischen/weltwirtschaftlichen Regionen sowie auf Bruchzonen der transnationalen Vergesellschaftung: Einerseits geht es dabei um die mobilitätssteigernden Architekturen des Tempos (Flughäfen, Bahnhöfe, Fährterminals usw.). Und andererseits geht es um die mobilitätseinschränkenden Architekturen des Ausschlusses, der Fixierung und Verungleichung der Einzelnen, also um deren (oft gewaltsame) Fixierung durch die Mauern und Zäune der Kontrollbauten, die Unterbringung in zu Städten sich entfaltenden Flüchtlingslagern, die Selbstorganisierung in den provisorischen, fliegenden, ›illegalen‹ Zeltlagern der Asylsuchenden und Flüchtlinge auf dem Weg in die transnationale Vergesellschaftung. Zentral für die Ad-hoc-Gruppe ist eine architektursoziologische Perspektive. Wir gehen von der Untrennbarkeit von Architektur und Gesellschaft bzw. der Symbiose jeder Gesellschaft mit einer bestimmten Architektur, je konkreten Bautypen, Visualitäten, Raumaufteilungen und Geschichts-Herstellungen aus. Dementsprechend stellen sich folgende Fragen: In welcher Weise verbinden und/oder trennen die (ebenso materiell, artefaktisch wie expressiv, visuell zu verstehenden) Architekturen, die Räume, zwischen denen sie stehen? Wie vermitteln sie zwischen unterschiedlichen sozialen Wirklichkeiten, wie zwischen Welt und Ort? Wie wird ›transnationale Vergesellschaftung‹ also erfahrbar, konkret, körperlich und visuell? Und welche Nutzungsweisen und Vergesellschaftungsprozesse entstehen faktisch in solchen Architekturen (man denke an die sich etablierenden Hotels und Läden in den zunächst nur als Provisorium gedachten, zentral verwalteten, geldlos eingerichteten Flüchtlingslagern)? Interessant sind nicht zuletzt Beiträge, die zeigen, welche politischen Planungsvorgaben den architektonischen Arrangements der Grenzüberschreitung wie der Begrenzung zugrunde liegen. Diese Fragen, wie die Transitarchitekturen in ihren beiden Polen mit transnationalen Vergesellschaftungsprozessen je konkret verbunden sind, können dabei methodisch verschieden avisiert werden: auf der Ebene der Interaktionen und damit auf einer artefaktsoziologischen Ebene oder auf der Ebene des Visuellen, der soziologischen Imaginationen (C. W. Mills), und damit eher auf einer gesellschaftstheoretischen Ebene. Ebenso denkbar sind historisch-vergleichende Beiträge, vor allem aber werden Fallstudien zu aktuellen Transitarchitekturen als Übergangs- und Bruchzonen transnationaler Vergesellschaftungen gesucht. Zur Architektursoziologie von Transitarchitekturen: Transitarchitektur für die Daheimgebliebenen – Materialisierte Zeitlichkeiten – Resettlement-Architektur und desparate Vergemeinschaftung Entortende Verortung – Auf dem Kongress findet zudem eine Sektions- veranstaltung der Sektion Soziologische Theorie statt: Die Räumlichkeit des Sozialen: Raumtheorien, Raumanalysen und ’spatial turn’organisiert von Andreas Reckwitz (Frankfurt/O.)mit Vorträgen von Markus Schroer, Heike Delitz und Martina Löw Methoden der Architektursoziologie Workshop der AG Architektursoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) in Kooperation mit dem Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig und der Sektion Qualitative Methoden der DGS 12. & 13. Februar 2009 Universität Leipzig, Beethovenstr. 15, Raum 5.116 Die
Architektursoziologie
hat in jüngster Zeit in theoretisch-konzeptioneller Hinsicht
erheblich an Kontur
gewonnen. Demgegenüber steht die empirische
Konzeptionalisierung und Umsetzung vieler Forschungsfragen erst noch in
ihren Anfängen. Dies ist jedoch unumgänglich für
konkrete, empirische soziologische Analysen der Architektur. Den
Fragen der möglichen Methoden der Architektursoziologie widmet
sich also der vierte Workshop der AG Architektursoziologie. Es ist offensichtlich, dass
die Architektur eine methodische Herausforderung an die Soziologie ist – in
ihrer Nichtsprachlichkeit, ihrer Materialität und in ihrem Bezug zum Körper,
der auch nicht in einer bloßen Bildlichkeit aufgeht. Sowohl die etablierten,
auf Text und Zahl zugeschnittenen Methoden der Sozialforschung, als auch die
neueren Methoden der visuellen Soziologie bedürfen so der kritischen Reflexion
und Diskussion, wenn es um die methodisch adäquate Annäherung an die Relation
von Architektur und Sozialem geht. Gesucht
und willkommen sind Ideen und konkrete Vorschläge für
ein methodisch adäquates Vorgehen, und die Vorstellung vielleicht
bereits durchgeführter Fallstudien hinsichtlich einer
geeigneten
sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeit für die
Architektursoziologie. Dabei
kann es sich ebenso um
Übertragungen, Modifizierungen und Erweiterungen etablierter oder
neuerer
Methoden handeln, wie auch um die Vorstellung von Methoden, welche die
impliziten Klassiker der Architektursoziologie – man denke etwa
an Walter
Benjamin oder Michel Foucault – angewandt haben. Willkommen sind
selbstverständlich auch
Berichte über Methoden aus der Disziplin Architektur und den
anderen Fächern wie Kunstgeschichte und Geografie, sofern sie
soziologisch
interessant sein könnten.
Organisation: Dr. Thomas Schmidt-Lux Universität Leipzig -
Institut für Kulturwissenschaften Heike.Delitz [at] uni-bamberg.de Lektüretipps: Aglaja Przyborski/Monika Wohlrab-Sahr, Qualitative Sozialforschung: ein Arbeitsbuch, 2. Aufl. 2009 Hans-Jürgen Macher, Methodische Perspektiven auf Theorien des sozialen Raumes: Zu Henri Lefebvre, Pierre Bourdieu und David Harvey, 2007 Sybille Bauriedl, Räume lesen lernen: Methoden zur Raumanalyse in der Diskursforschung, in: Forum Qualitative Sozialforschung 8, 2, Art.13 (2007) Herbert Schubert, Empirische Architektursoziologie, in: Die Alte Stadt 32. 1 / 2005, 1-27 Gabriele Sturm, Wege zum Raum. Methodologische Annäherungen an ein Basiskonzept raumbezogener Wissenschaften, Opladen Programm: Thomas Schmidt-Lux (Leipzig) & Heike Delitz
(Bamberg): Begrüßung an-Hendrik Passoth (Bielefeld): Bauen, nutzen, deuten, oder: wie spricht man mit nicht-menschlichen Aktanten? Qualitative Forschungsmethoden zur Analyse von Artefakten am Beispiel der Architektur Oliver Schmidtke (Frankfurt/M.): Soziologische Architekturinterpretation nach methodischen Prinzipien der Objektiven Hermeneutik
Hanna Steinmetz (Konstanz): „Gesetze der Nachahmung“ im zwischengenutzten Palast der Republik 2004-2005 Aida Bosch/Christoph Mautz (Erlangen-Nürnberg): Methoden zur Untersuchung visueller und haptischer Mensch-Objekt-Interaktionen Martin Ludwig Hofmann/Katharina König (Detmold): Einblicke in
das PerceptionLab. Architektursoziologische Methodik im Rahmen angewandter Forschung Andrea Schaffar/Robert Temel (Wien): Gestaltungs- weisen. Der architektonische
Entwurf als kultureller und sozialer Prozess Rekonstruktion, Dekonstruktion, Konstruktion. Soziologische Analysen des aktuellen Städtebaus Gefördert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Ausgewählte Beiträge erschienen in der Wiener Architektur-Zeitschrift dérive, Themenheft "Rekonstruktion und Dekonstruktion" 2010 8./9. Mai 2009, Otto Friedrichs Universität Bamberg Das
vielleicht auffälligste architektonische Phänomen der deutschen
Gegenwartsgesellschaft ist der historisierende Aufbau einzelner Gebäude
und ganzer Innenstädte: in Dresden, Frankfurt, Berlin, Braunschweig,
Hannover. Aus gesellschaftsanalytischer Sicht ist zu fragen, wovon
diese Architekturen und die emotionalen Debatten um sie künden: worauf
diese Architektur in der Vergesellschaftung hinweist, welche
Imaginationen, welche kollektiven Begehren sich in ihr zeigen, kurz,
mit welcher Gesellschaft wir es angesichts dieser Entwicklung zu tun
haben. Gegenläufig gibt es zeitgleich weitere architektonische
Trends: etwa die weltweit zu beobachtende Resonanz des
Dekonstruktivismus, einer von Soziologen oft als ‚Spektakelarchitektur‘
bezeichneten, spezifischen Entwurfs- und Bauweise. Dem nicht
unumstrittenen historisierenden Aufbau steht eine aktuelle (nicht
weniger umstrittene) Architektur gegenüber, die bewusst in die
europäischen Städte Schneisen schlägt, provoziert und polarisiert. Vornehmlich
in den außereuropäischen Gesellschaften werden zudem derzeit ganze
Stadtregionen in der Ästhetik der globalen, ahistorischen Moderne neu
konstruiert: buchstäblich aus dem Boden gestampft, mit zu
untersuchenden Folgen für das Selbstverständnis einer Gesellschaft und
der in ihr lebenden Einzelnen.
»Rekonstruktion« Angesichts der Rekonstruktion der Bauten und Innenstädte nach dem Leitbild der „europäischen Stadt“, wie sie nicht nur in Dresden und Frankfurt zu beobachten ist, ist zu fragen, welche Gesellschaft sich im Weiterbau nach diesem historischen Leitbild äußert und entfaltet. Es könnte sich um eine architektonische Art und Weise handeln, in der sich die Gesellschaft selbst rückversichert: Die Gesellschaft versichert sich in diesem nichtsprachlichen Medium offenbar ihrer Herkunft aus der okzidentalen Stadt mit ihren Sozialverhältnissen und gesellschaftlichen Selbstverständnissen. Die Debatte um die historisierende Rekonstruktion betrifft Fragen der Architekturästhetik und -ethik. Aber sie betrifft auch die Selbsterkenntnis oder ‚Selbstbeschreibung‘ der gegenwärtigen Gesellschaft im Medium ihrer Architektur. Die Analyse dieses Phänomens und der mit ihm verknüpften Debatten führt möglicherweise in das Zentrum einer soziologischen Gegenwartsdiagnose. »Dekonstruktion« Zeitgleich kommt es zur Zerstörung der nun ‚störenden‘ Architekturen. Prominent und gesellschaftsdiagnostisch interessant ist etwa der Abriss des Palastes der Republik. Es kommt zugleich auch zur plakativen »Dekonstruktion« der bisherigen Architektur: ihrer Rechtwinkligkeit, Tektonik, ihrer Eindeutigkeit. Die aktuell provozierende Architektur ist in allen ihren Varianten (und zwar nicht nur im Dekonstruktivismus) ein Kind der klassischen Avantgarde: einer Architektur, in der ein zentrales Moment der modernen Gesellschaft – nämlich das Bewusstsein der Kontingenz des (Zusammen-)Lebens – sicher am wirksamsten sicht- und greifbar wurde. In der je neuen Architektur scheinen stets erneut neue Lebensweisen auf; in ihnen erhält die Gesellschaft zugleich und buchstäblich eine neue Gestalt. Zu diskutieren sind daher auch die aktuellen Entwicklungen in der Architektur: in Hinsicht auf ihr gesellschaftliches Transformations- und Innovationspotential. »Konstruktion« Diese Frage des Transformationspotentials der Architektur für die Gesellschaft stellt sich auch angesichts der Konstruktion ganz neuer Städte und Stadtteile sowie angesichts der Umakzentuierung des Bestehenden durch einzelne, buchstäblich herausragende, Gebäude. Am prominentesten ist hinsichtlich des Baus neuer Stadtteile in Deutschland der Fall der Hafencity Hamburg. Hier wird in wenigen Jahren die Innenstadt um 40 % erweitert. Ebenso ist der Potsdamer Platz in Berlin ein Fall der völlig neuen Konstruktion der Stadt. Dieser Aspekt der ‚Konstruktion‘ betrifft über die europäischen Städte hinaus v.a. jene Gesellschaften, die sich derzeit mit aller architektonischen Macht ihrer Geschichte zu entledigen scheinen wie die südosteuropäischen Gesellschaften und die der Golf-Staaten: in ihnen werden für Millionen Einzelne neue Umwelten geschaffen, in ihnen wandelt sich – oft durch die Entwürfe europäischer Architekten - das ‚Gesicht‘ der Gesellschaft in der Tat radikal. Auch dies wirft gesellschaftstheoretische Fragen auf, etwa nach der ‚soziologischen Imagination‘ (C. W. Mills), die angesichts der neuen Städte möglich und unabwendbar wird. Der Workshop will insbesondere die gesellschaftsdiagnostischenMöglichkeiten der Architektursoziologie in Hinsicht auf die aktuelle Gesellschaft entfalten: in Kenntnisnahme ihrer Mehrdeutigkeit und Ambivalenz. Worauf deuten die städtebaulichen und architektonischen Tendenzen hin; in welcher Gesellschaft leben wir also, die sich ebenso – initiiert durch ihre Architekten, Bauherren, Nutzer – architektonisch rückbesinnt, wie sie neuen und zum Teil provozierenden Architekturen Resonanz verschafft? Obgleich der Fokus auf aktuellen Entwicklungen liegt, sind vergleichend oder in genetischer Absicht natürlich auch historische Analysen (zum Beispiel zu den Hochhausdebatten aus den 1910er und 1920er Jahren) willkommen. Literaturtips Michael Braum, Ursula Baus (Hg.), Rekonstruktion in Deutschland. Positionen zu einem umstrittenen Thema, Basel 2009; Adrian Hornsby (ed.) The chinese dream. A society under construction, Amsterdam 2008; wettbewerbe aktuell, Heft 1/2009, S. 1 und 33-48 (Ergebnisse des Architektur-Wettbewerbes für das Humboldt-Forum)Workshop »Materialität und Bildlichkeit der Architektur« 8./9. Februar 2008, Technische Universität Darmstadt Wie wirkt Architektur bei der
Produktion des gesellschaftlichen Raums
an der materiellen und bildlichen Konstruktion der sozialen
Wirklichkeit mit? Mit dieser Fragestellung berührt der Workshop
theoretische und methodische Kernprobleme der Architektursoziologie,
deren Gegenstand sowohl das gebaute materielle Substrat als auch
symbolische Bilderwelten sind.
Als
materielles und symbolisches Phänomen ist Architektur stets sozial
präpariert. Die spezifischen Materialien sowie die
naturwissenschaftlich-technischen Parameter (Erderwärmung,
Erdbebengefahr, Wassermangel, Menge der Grünflächen) und
andere objektive Gegebenheiten (Lage, Distanzen, technische
Hindernisse) eines architektonisch entworfenen Gebäudes sind
niemals nur rohe „Natur“, sondern bearbeitete und konstruierte
soziale Einheiten. Materielle Bedingungen korrespondieren immer auch
mit sozialen Tatsachen, sie sind nie ausschließlich materiell.
Zugleich räumt jedoch das Konzept der „Materialität“ dem
Materiellen einen bestimmten Widerstand gegenüber der sozialen
Konstruktion und Produktion von Wissen ein. Das Materielle scheint sich
intellektueller Erkenntnis zu entziehen und einer Eigenlogik zu folgen,
die nicht ohne weiteres in Sprache aufgeht. Damit repräsentiert
und produziert es eine ganz spezifische Macht unter den symbolischen
Verkörperungen des Gesellschaftlichen. Aus dieser Perspektive
werden die spezifischen Materialitäten der gebauten Umwelt, eines
Gebäudes oder eines Artefakts (Beton oder Holz, Farbigkeit,
Materialoberfläche etc.) nicht einfach als materielle Träger
von Text bzw. von Bedeutungen begriffen, in denen die
Gesellschaftlichkeit von Architektur zum „Ausdruck“ kommt, sondern als
Trägermedien, die eigensinnige Bedeutungszuschreibungen,
Wahrnehmungen und Repräsentationen bedingen oder ermöglichen.
In
dem Workshop wäre darüber nachzudenken, wie
„Materialität“ in der Architektursoziologie konzeptionell gedacht
und methodisch erfasst werden kann. Dabei steht insbesondere die Rolle
der Sprache zur Debatte. Ist die Differenz von Denken/Wissen und
Materialität als ein Vermittlungsproblem zu verstehen, das durch
Sprache überwunden werden kann? Wenn Materialität durch und
in Sprache hervorgebracht wird, dann ließe sich nur ausgehend von
der Sprache verstehen und methodisch erfassen, was Materialität
ist. Oder verhindert Sprache als symbolisches System diese Vermittlung?
Welche anderen Zugangsweisen wären dann erforderlich?
Die
Frage nach der Materialität lenkt also die Aufmerksamkeit
zunächst auf die selbst nicht sinnhaften Voraussetzungen der
alltäglichen Wahrnehmung der sozialen Welt und auf die Frage, wie
Gebäude, Materialien, natürliche Bedingungen der bebauten
Umwelt überhaupt als Wissensobjekte zu fassen sind. Je
stärker sich allerdings der Blick auf die Materialitäten
richtet, desto mehr gerät die andere Seite dieser Unterscheidung,
nämlich die Seite der Immaterialität, der Symbolik, der
Bilder aus dem Blickfeld. Architektur besteht aber nicht nur aus den
„hard facts“, sondern zugleich immer auch aus Bildern und
Atmosphären, deren Metaphorik für soziale Kodierungen steht
wie Nähe und Ferne, Vertrautheit und Fremdheit, Fortschritt oder
Rückschritt, Modern oder Unmodern bzw. für erfüllte und
unerfüllte Lebensentwürfe. Die Frage nach der
Materialität von sozialer Wirklichkeit kann deshalb überhaupt
nur sinnvoll gestellt werden, wenn sie mit der Frage nach der
Immaterialität verknüpft wird. Es handelt sich um zwei Seiten
ein und derselben Unterscheidung, die getrennt nur um den Preis der
momentanen Ausblendung der jeweils anderen Seite thematisiert werden
können.
Auf dem Workshop sollen aus unterschiedlichen Teildisziplinen und Denkansätzen (Stadt-, Raum-, Artefakt-, Kultursoziologie, Kulturtheorie) Beiträge zum Fragekomplex formuliert werden. Von Interesse sind sowohl Theoriebeiträge und Fallstudien, die konkreten urbanistischen oder architektonischen Phänomenen nachgehen, als auch Überlegungen zur sozialwissenschaftlichen Methodik. Theoretisch wäre zunächst ein angemessenes Verständnis der „Materialität“ sowie der „Bildlichkeit“ der Architektur insbesondere in ihrem Bezug zu Gesellschaftlichem zu klären. Aus der Perspektive der Polarität von Materialität und Bildlichkeit wäre zu prüfen, wie Architektur dem Gesellschaftlichen eine konkrete räumliche Gestalt verschafft und damit zugleich Bilder produziert, in denen sich die Gesellschaft als solche erkennt (Stichwort: Reflexive Modernisierung in der Architektur). Umgekehrt wäre zu fragen, wie sich die Flut von Bildern auf Postkarten, in Bildbänden und Zeitschriften, in Filmen und im Fernsehen, im Computer Aided Design oder in den phantastischen Architekturen von „Second Life“ und Science Fiction Filmen auf den sozialen Entwurf von Gebäuden und auf die bebaute Umwelt auswirkt. Und wie stellt sich der polare Zusammenhang von Materialität und Bildlichkeit in Architekturprojektionen wie der Dresdner Waldschlösschenbrücke oder dem Berliner Schloss dar? Des Weiteren wäre zu fragen, wie es sich mit den historischen Rekonstruktionen verhält: Geht es um die Erschaffung eines schönen „Bildes“ des Gesellschaftlichen, oder um die Sehnsucht nach konkreten, sinnlich erfahrbaren Orten? 1. Theoretische Ansätze Joachim Fischer (TU Dresden): Architektur als „schweres Kommunikationsmedium“ der Gesellschaft Heike Delitz (TU Dresden): Architektur als „Medium“ des Sozialen. Zur Materialität der Architektur aus lebenssoziologischer Perspektive Monika Grubbauer (Wien): Wie vermitteln Bilder von Architektur Wissen? – Strategien visueller Typenbildung in der Architektur und ihr Beitrag zur Konstruktion sozialer Wirklichkeit 2. Methodische Reflexionen Anna-Lisa Müller (Uni Konstanz): Praktiken der Kreativsubjekte im städtischen Raum und der Aspekt der Materialität. Theoretische und methodische Überlegungen. Thomas Lampalzer: Ökologische Architektur und ökologisch orientierte Lebensstile (am Beispiel südliches Niederösterreich) 3. Architektur-Soziologie Annette Rudolff-Cleff/Björn Hekmati (TU Darmstadt, Architektur): Die Überlagerung virtueller und realer Bilder in der Stadt. Roger Perrinjaquet (ENSAB Rennes, Ecole Nationale Supérieure d'Architecture de Bretagne): Haptische Erfahrung und Konzeption von Materialität in der Architektur der "Nächsten Moderne" (taktile Architektur) im Gegensatz zu Bildlichkeit" Gabu Heindl (Wien): brut gebaut. Performativer Raum durch diagrammatische Materialität 4. Studien zur Verschränkung von Bildlichkeit und Materialität Markus Dauss (Uni Frankfurt, Kunstgeschichte): Ikonizität der Materialität Stefanie Duttweiler (Uni Basel): Zum Gestaltwandel des Religiösen und seiner architektonischen Räume. Untersuchung einer wechselseitigen Konstitution Sven Martensen (Oldenburg): Architektur und Soziologie. Die Gesellschaft und ihre Materialität. Eine Bildanalyse am Bespiel der Plenarbauten des Deutschen Bundestags 1949-1999 Die Architektur der Gesellschaft. Architektur der Moderne im Blick soziologischer Theorien 28./29. April 2006 Technische Universität Dresden Joachim Fischer / Heike Delitz (Hg.): Die Architektur der Gesellschaft. Theorien für die Architektursoziologie. Bielefeld: transcript 2009 Tagungsbericht: H. Delitz, Kurzfassung bei H-Soz-Kult; H. Delitz, Die Architektur der
Gesellschaft. Architektur der Moderne
im Blick soziologischer Theorien, TU Dresden, 28./29. April 2006, in:
Soziologie Jg. 35, Heft 4/2006, 495-499
H. Delitz, Die Architektur der
Gesellschaft. Architektur der Moderne
im Blick soziologischer Theorien. Dresden, 28./29.4.2006
(Tagungsbericht), in: Die alte Stadt. Vierteljahreszeitschrift für
Stadtsoziologie, Stadtgeschichte, Denkmalpflege und Stadtentwicklung,
Heft 33 (2006), 4, S. 385-390
Architektur ist „omnipräsent“.
Architektur prägt den
sozialen Alltag, macht Gesellschaft
sicht- und greifbar und ist insofern ein Beobachtungsmedium der
Gesellschaft.
Die Vermutung ist, dass Architektur – als besonders präsente und
auf Präsenz
zielende Kulturtechnik – in den Kern einer Theorie und Kritik der
modernen
Gesellschaft gehört und führt. Architektur fordert die
soziologische Theorie
neu heraus.
Architektursoziologie erhielt
demgegenüber in der Soziologie nach
hoffnungsvollen Ansätzen Anfang der
1960er bis Mitte der 1970er Jahre keinen eigenständigen
Stellenwert. Die
etablierten speziellen Soziologien (Stadt-, Regional-, Planungs- und
auch die
Wohnsoziologie) haben sich intensiv mit dem Thema Stadt
auseinandergesetzt;
dabei wurde und wird jedoch nicht die Architektur selbst in den
Blick
genommen. Vielmehr ging es – vor dem Hintergrund des notwendigen
raschen und
umfassenden Aufbaus der deutschen (Innen-)städte – um Stadtkritik
und
Milieuforschung im Interesse einer sozialwissenschaftlich belehrten
Planungspraxis; gegenwärtig interessieren u.a.
Stadt-Land-Unterschiede,
Migrations- und Segregationsprozesse, die “Zwischenstadt” und „Global
Cities“
oder aber die “Telepolis”. Nach der Wiederentdeckung des Raumes in den
Kultur-
und Sozialwissenschaften wächst andererseits auch die
soziologische
Aufmerksamkeit für die Architektur.
In
einer ersten Tagung der ad
hoc-Gruppe Architektursoziologie (Bernhard Schäfers) im
Rahmen des 32. Kongresses der DGS in München am 7.10.2004 wurden
erste
Perspektiven innerhalb einer Neubegründung der
Architektursoziologie
vorgestellt. Der gemeinsame Vorschlag ist, systematisch zwischen Stadt-
und
Architektursoziologie zu trennen, darin der Disziplin Architektur in
der
Unterscheidung von Städtebau und Architektur folgend.
Architektursoziologie
analysiert, anders als die Stadtsoziologie, konkrete architektonische
Phänomene.
In
der zweiten
Tagung zur Architektur der Gesellschaft soll dieser
Impuls fortgeführt
und dabei erweitert und vertieft werden. Thematisch geht es um die Architektur
der Moderne im Blick soziologischer Theorien: In Frage stehen
Phänomene
moderner und zeitgenössischer Architektur: zum einen ihre
theoretische und
methodische Erschließung durch soziologische Theorien, zum
anderen ihre
Aussagekraft in Hinsicht auf die Struktur der modernen Gesellschaft.
Vorgestellt
wird die jeweilige Theorieperspektive auf die Architektur und die
Aussagekraft
der Architektur für diese hinsichtlich der ‘Architektur’ der
Gesellschaft. Ist
Architektur Spiegel und Ausdruck, Zeugnis einer Gesellschaft, oder ist
sie
Medium des Sozialen, mithin sozialkonstitutiv? Oder ist Architektur in
einer
als „Mediengesellschaft“ begriffenen Gegenwartsgesellschaft irrelevant
und
daher uninteressant? Ist (moderne) Architektur Diagnoseinstrument in
der Frage,
in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben, oder ist sie ins Zentrum
der
soziologischen Sozialtheorie zu rücken, da im sozialen Wandel und
der
Stabilisierung sozialer Ordnung wesentlich beteiligt und
aussagekräftig
hinsichtlich der Frage, wie Gesellschaft überhaupt möglich
ist? Angesichts der
Vielfalt und Rivalität der soziologischen Theorieparadigmen gilt
es, das
Antwortspektrum nicht vorschnell einzuengen, sondern Argumente und
Einwände der
verschiedensten Paradigmen zu versammeln. Zu fragen ist nach dem
möglichen
Stellenwert der Architektur innerhalb der soziologischen Theorie und
danach,
was mit ihr in Bezug auf die Architektur einer Gesellschaft sichtbar
werden
kann.
Befragt
werden dominante Theorien der Soziologie und solche, die für das
Thema
besondere Aufschlußkraft erwarten lassen: Kritische Theorie,
Gender Studies und
Cultural Studies, Poststrukturalismus,
Zivilisations- und
Stratifikationstheorie, Systemtheorie und Wissenssoziologie, Rational
Choice Theorie;
Institutionentheorie, Philosophische
Anthropologie/Ästhesiologie und Theorie der Strukturierung.
Für
die
Klärung des Interesses und Standortes einer neubegründeten
Architektursoziologie könnte es sich dabei als hilfreich und
interessant
erweisen, an die Geschichte der ‚impliziten‘ Architektursoziologie zu
erinnern:
an die Juwelen des soziologischen Blicks auf die Architektur, wie sie
klassische Autoren der Soziologie durchführten. Maurice Halbwachs
hat gezeigt,
inwiefern architektonische Phänomene ein „kollektives
Gedächtnis“ evozieren;
Norbert Elias hat in einer historisch interessierten soziologischen
Theorie
architektonische Phänomene als Anzeiger von gesellschaftlichen
Strukturen
untersucht; Walter Benjamin und Michel Foucault haben in den Passagen
bzw. den
Gefängnissen – als genuin modernen Architekturen – die Geburt der
‘modernen’
Gesellschaft gesehen.
Architektur fordert auch die
sozialwissenschaftliche
Methodik neu heraus, ist sie doch eine “eigenwillige Muse” (V. M.
Lampugnani):
Architektur begegnet im Modus der Aufdringlichkeit, überfallt vor
jeder
Distanzierung und strukturiert soziale Handlungen vor. Bedeutungen sind
nicht
einfach ablesbar, sondern diskursiv umstritten, werden
überschrieben und neu
definiert. Empirische Sozialforschung ist von ihrer Entstehung her, in
quantitativen und qualitativen Methoden, auf Text und Zahl
zugeschnitten. Der
„iconic turn“ hat dem die sozial- und kulturwissenschaftliche Dominanz
des
Bildes hinzugefügt. Zu fragen ist in dieser Situation, welcher
Zugang der
Eigenlogik der Architektur als räumlicher, körperbezogener
Kulturtechnik
gerecht zu werden vermag.
Der
Vorschlag ist, in den Beiträgen jeweils ein konkretes
architektonisches
Phänomen in den Blick zu nehmen, um möglichst anschaulich zu
machen, welche
theoretische und methodische Perspektive auf die Architektur
eingenommen wird
und was diese zu zeigen vermag.
Einführung: Prof. Dr. Bernhard Schäfers, Prof. Dr.-Ing. Hans-Georg Lippert, Dr. Joachim Fischer PD Dr. Markus Schroer [Darmstadt]: Materielle Formen des Sozialen. Die Architektur der Gesellschaft aus der Perspektive der sozialen Morphologie Prof. Dr. Herbert Schubert [Köln]: Figurationszeichen – Die Architektur der Gesellschaft aus Sicht der Zivilisationstheorie von Norbert Elias Prof. Dr. Achim Hahn [Dresden]: „Wohnen, Entwerfen, Bauen“ – Architektonisches Verhalten im Kontext der Lebensführung. Die Architektur der Gesellschaft aus Sicht der phänomenologisch-hermeneutischen Soziologie Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg und Dr. Markus Dauss [Dresden/Gießen]: Gebaute Raumsymbolik - Sacre Coeur als Fallbeispiel. Die Architektur der Gesellschaft aus Sicht der institutionellen Analyse Prof. Dr.-Ing. Hans-Georg Lippert, Architekt und Bauhistoriker, Dr. Joachim Fischer, Soziologe [beide Dresden]: Die Architektur der Gesellschaft: was bringt die soziologische Theorie der Architektur - was bringt die Architektur der soziologischen Theorie? Thesen und offene Diskussion Prof. Dr. Jens Dangschat [Wien]: Symbolisches Kapital als 'unique selling proposition‘. Die Architektur der Gesellschaft aus der Perspektive einer Theorie der sozialen Ungleichheit Pierre Bourdieus Jun.-Prof. Dr. Susanne Frank [Berlin]: Suburbia als "antifeministische Umgebung". Die Architektur der Gesellschaft aus Sicht der Gender Studies [Der Vortrag konnte nicht stattfinden, dafür sprach Prof. Dr. Barbara Zibell, Hannover, aus der Sicht der Gender Studies] Dipl.-Ing. Heike Delitz, M.A. [Dresden]: Architektur als Medium des Sozialen. Die Architektur der Gesellschaft aus Sicht der Philosophischen Anthropologie und Ästhesiologie Dr. Wolfgang Lenk [Hannover]: Rückstände einer Traumwelt - Verklärung des Unfertigen. Die Architektur der Gesellschaft aus der Sicht Walter Benjamins [der Vortrag konnte nicht stattfinden] Stefan Meißner [Dresden]: Die Diskurse der Architektur und die Architektur der Diskurse. Die Architektur der Gesellschaft aus Sicht der Diskurstheorie (Foucault) PD Dr. Udo Göttlich [Duisburg]: Home Territories and Mobility in Every Day Life. Die Architektur der Gesellschaft aus Sicht der Cultural Studies Ad hoc Gruppe auf dem 33.
Kongress der DGS in
Kassel, 9-13.10.2006
[koordiniert von Herbert Schubert,
Köln, und Joachim Fischer,
Dresden]
Abstracts
Heike Delitz, Dresden: Architektur, Artefakt, Kreativität. Herausforderungen soziologischer Theorie Die soziologische Theorie
hat in einer historisch
plausiblen »antiästhetischen und antitechnischen
Haltung« (W. Eßbach) zwei
Dimensionen des Sozialen aus ihrer Handlungstheorie entfernt, die sich
für eine
soziologische Analyse der Architektur der modernen Gesellschaft als
zentral
erweisen könnten. Zum einen handelt es sich um Artefakte, um die
vielfältigen
Dinge, die als hybride »Quasi-Subjekte« (Latour) fungieren.
Die soziologische
Theorie hat keinen Begriff, der die suggestiven Wirkungen der
Materialität der
Architektur, ihre Positivität zu analysieren erlaubte. Wenn
Architektur als
»Anzeiger gesellschaftlicher Strukturen«, als
»symbolische Verkörperung« des
Sozialen, als »soziale Morphologie« angesprochen wird, ist
sie als dem Sozialen
nachhinkend konzipiert. Sie wird soziologisch nicht in ihrem zuweilen
zwingenden Charakter ansprechbar, in ihren vorgängigen
Möglichkeitsräumen für
Bewegung, Interaktion, Wahrnehmung und Denken, den suggestiven Effekten
eines
körperräumlichen, nonverbalen Mediums des Sozialen.
Zum
anderen hat die soziologische Theorie das kreative Handeln vergessen:
neben dem
zweck- und wertrationalen, affektuellen und traditionalen Handeln
bezeichnet
dies eine Handlungsdisposition, die der Kontingenzkultur, dem
gewachsenen
Möglichkeitsraum der Moderne spezifisch entspricht, von besonderen
Gruppen
kultiviert wird und den konstruktivistischen und produktivistischen
Charakter
der urbanen Gesellschaft ermöglicht und vorantreibt. Architekten
sind in ihrer
zur massenwirksamen Avantgardepraxis avancierten Disziplin mindestens
in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentliche Träger dieser
Disposition. Sie
begreifen sich entsprechend als Gesellschaftsdemiurgen, in
ausgesprochen anti-traditionaler, kreativistischer
Haltung. Mit der gesellschaftlichen Funktion dieses
Selbstverständnisses einer
Intellektuellengruppe ist auch die Funktion architektonischer Utopien
für die
moderne Vergesellschaftung bisher kaum reflektiert.
Um das Phänomen Architektur in seiner Komplexität und Relevanz soziologisch fruchtbar werden, ist die soziologische Theorie in beiden Hinsichten zu ergänzen. Der Beitrag versucht, die »Soziologie der Artefakte« um die (Kunst und Technik synthetisierende) Architektur zu erweitern und dabei die lebensphilosophische Denkfigur des »Schöpferischen« einzusetzen. Es geht um das soziologisch keineswegs uninteressante Potential von Architektur, Gesellschaft zu gestalten. Oliver Schmidtke, Frankfurt/M.: Architektursoziologie als Analyse ästhetischer Ausdrucksgestalten und ihre Abgrenzung zur Kunstsoziologie Architektur
gehört unbezweifelbar zu den ästhetischen Ausdrucksgestalten.
Wenn man die
Analyse von ästhetischen Gebilden bei der Rekonstruktion von
sozialer Praxis für
relevant hält, ist auch die Architektur ein interessanter
Gegenstand. Ästhetik
wird jedoch in der Moderne wesentlich auf die autonome Kunst bezogen.
Die Interpretation
von ästhetischen Ausdrucksgestalten führt in der Soziologie
ein Schattendasein.
Sie wird eher als das Geschäft der Geisteswissenschaften
betrachtet, während es
die Kultursoziologie vermeintlich nur mit der Einbettung von Werken in
einen ihnen
äußerlichen Zusammenhang zu tun hat oder aber statistische
Untersuchungen
vollzogen werden, in deren Rahmen der komplexe Sinngehalt
ästhetischer Werke
kaum angemessen berücksichtigt werden kann. Der Sinngehalt der
Ausdrucksgestalten von Kunstwerken läßt sich nur
hermeneutisch rekonstruieren.
Dies bedeutet, daß der Einzelfall im Zentrum auch der
soziologischen Analyse
stehen muß. Dabei kann man es sich zu Nutze machen, daß der
Künstler in seinem
Werk selbst eine Interpretation gesellschaftlicher Verhältnisse
leistet und
verdichtet gestaltet. Diese kunstsoziologischen Überlegungen
sollen auf die
Analyse von Architektur übertragen werden. Dabei ist zu beachten,
daß sich die
Architektur grundlegend von der autonomen Kunst unterscheidet. Sie
realisiert
keine selbstgenügsamen Kunstwerke, sondern ästhetische
Gebilde, die einerseits bestimmten
praktischen und technischen Funktionen dienen müssen. Andererseits
stehen die
Werke der Architektur nicht für sich selbst, sondern
repräsentieren die in ihr
beheimatete Praxis. Dies muß die Analyse der Ästhetik von
Architektur
berücksichtigen. Die Ästhetik der Architektur ist nicht
selbstgenügsam, wie die
eines Gemäldes, sondern ist immer der ästhetische Ausdruck
der Abgrenzung eines
Innen von einem Außen sowie der Darstellung der Privatheit einer
Praxis in der
Öffentlichkeit einer Siedlung. Somit unterscheiden sich – bei
aller
Gemeinsamkeit –soziologische Kunstwerkanalyse und
Architekturinterpretation grundlegend
voneinander. Im Vortrag soll es darum gehen, diesen Unterschied genauer
auszuleuchten
und am Beispiel einer exemplarischen Gebäudeanalyse
herauszuarbeiten.
Stephanie Hering, Basel: Die Materialität der Virtualität. Zur Architektur der Finanzökonomie Finanzbauten
prägen signifikant das Erscheinungsbild von Weltstädten. In
ihren in die Höhe
strebenden, bisweilen monumentalen, manchmal spektakulären
Architekturen symbolisieren
sie die Potenz der Finanzwirtschaft und
schreiben sich mit materialer und visueller Wucht in die Skyline
eines
Ortes ein. Im Ensemble als Finanzdistrikt werden sie wichtige
Bestandteile des Images einer bestimmten Stadt und als Ausweis
für
Modernität und Globalität im
internationalen Städtewettbewerb und -marketing herangezogen. Die
Deklassierung
anderer zentraler Gebäude wie Munizipal- oder Sakralbauten in
ihrer Wirkung und
Bedeutung durch Geschäfts- und besonders Finanzarchitekturen
erfolgt – seit der
Errichtung der ersten Wolkenkratzer in nordamerikanischem
Grossstädten – in
allen urbanen Gebieten der Welt rapide.
Die Analyse von Finanzbauten und generell Architektur ist ein genuin soziologisches Forschungsfeld: Architektur ist eine (ge)wichtige Oberfläche für Symbolisierung und Repräsentation; einzelne Bauten fungieren als Ikonen mit Superzeichen-Charakter, die ganze Bedeutungsfelder strukturieren. Dennoch sind ausführliche
Betrachtungen und Theoretisierungen konkreter Stadtformen und deren
materialer
Architektur bislang auffällige Leerstellen in der Soziologie und
sogar in der
Stadt- und Raumforschung geblieben. Sensibilität für visuelle
und materiale
Phänomene und eine entsprechende methodische Fassung entwickelt
sich hier
gerade erst. Architekturtheorie und Kunstgeschichte verfügen zwar
über
Instrumentarien für die Architekturanalyse, jedoch mangelt es
meist an
soziologischem Problembewusstsein.
Dieser
Beitrag forciert soziologische Perspektiven der Architekturanalyse in
der
exemplarischen Untersuchung von Finanzbauten auf ihren
Selbstdarstellungsgehalt. Aufgrund des ausgeprägten Spannungfeldes
zwischen der
inhaltlichen Abstraktion und Virtualiät der Finanzökonomie
und ihren schweren,
relativ permanenten Artefakten, lässt sich gerade anhand von
Finanzgebäuden ein
Verständnis von Architektur
als Versichtbarung des Unsichtbaren und
Materialisierung des Immateriellen – jenseits funktionaler Notwendigkeit –
besonders überzeugend elaborieren. Mit Akzent auf den skulpturalen
und
visuellen Aspekten der Architektur, werde ich darlegen, dass und wie
die
Szenografie von Finanzlandschaften Stadt- und Weltbilder impliziert und
Finanzgebäude als katalytische Objekte für ganze
Stadtentwicklungen und
Rezeptionen von Lokalität fungieren.
Ulf Jacob, Berlin: Wüste und Oase. Zur sozialen Ordnung gestalteter Landschaft Die
Dichotomie von „Wüste“ und „Oase“ ist ein klassischer Topos der
Landschaftsgestaltung. Schon Hermann Fürst von Pückler-Muskau
(1785-1871),
einer der bedeutendsten deutschen Gartenkünstler, sah seine
Bestimmung darin,
»Oasen in Sandwüsten anzulegen«. Und noch anderthalb
Jahrhunderte später
betreibt die Internationale Bauausstellung (IBA)
„Fürst-Pückler-Land“
(2000-2010) unter anderem das Projekt, in der „Wüste“ des
Niederlausitzer Braunkohlentagebaus
Welzow-Süd eine „Oase“ zu schaffen. Dabei ging und geht es stets
um mehr als
die reine Landschaftskunst: immer verbinden sich die Gestaltungsfragen
mit
gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen und kulturellen
Präferenzen sowie - in
der Folge widersprüchlicher Interessenlagen der Raumakteure - auch
mit sozialen
Konflikten. Idealtypisch ist die Rede von der »Oase inmitten
einer Wüste«
(Pückler-Muskau) auf folgenden Sinn- und Handlungsebenen
angesiedelt: Räumlich bedeutet sie eine gestaltete,
überproportional ausgestattete und alle Sinne anregende „Insel“
inmitten eines
ungestalten, mangelhaften und relativ reizarmen Umfeldes. Ästhetisch betont sie den Kontrast zweier
Wahrnehmungsqualitäten,
etwa zwischen erhabener Größe und Monotonie einerseits und
pittoresker
Subtilität und Vielfalt andererseits. Symbolisch
lässt sie sich als dualistische Metaphorik erklären, die
einen bestimmten
Idealzustand verteidigt oder als erstrebenswert vor Augen stellt und
dabei
Kultur (kultivierte Natur) gegen Unkultur (wilde Natur) setzt (oder mit
dieser
Entgegensetzung spielt). Handlungspraktisch
legitimiert sie Herrschaft, hilft bei der Begründung und
Durchsetzung
planerischer Intentionen, sichert Gestaltungshoheit und lässt sich
zur
Projektwerbung nutzen. Selbst-
und
fremdidentifikatorisch
unterscheidet sie zwischen den Rollen des
Oasen-Schöpfers und der Wüsten-Bewohner, wobei sie normativ-pädagogisch ersteren ermächtigt, letztere auf
dem Wege der
Erziehung durch Umweltgestaltung in ein kultiviertes Binnenmilieu zu
überführen. Ist es der Oase zum einen aufgegeben, als Organ
der Abgrenzung für den Ausschluss aller
störenden Einflussgrößen zu sorgen, geht von ihr zum
anderen als Plattform der Entgrenzung eine weit ausstrahlende
Vorbildwirkung aus.
Vornehmlich am Beispiel der Lausitz soll der gesellschaftliche Verweisungsgehalt des „natürlichen“ Wüsten-Oasen-Modells diskutiert werden. Marcus Dauss, Giesen: Architektur als Konstruktion sozialer Naturwüchsigkeit. Das Berliner Reichstagsgebäude als Beispiel baulicher Körpermetaphorik Die Rede von der Architektur als ›Natur der Gesellschaft‹ bedeutet einen Grenzgang: Sie ist nur solange unbedenklich, wie reflexiv-distanzierendes Eingedenken den Konstruktionscharakter dieser Metaphorik transparent macht. Vielfach soll allerdings die Artifizialität architektonischer Konstruktionen intentional vergessen gemacht werden, um nicht nur das architektonische Werk, sondern auch die sich darin ›verkörpernde‹ Gesellschaftsformation mit apologetischer Absicht zu naturalisieren und deren zentrale institutionelle Arrangements darüber mit mythischer (Barthes) Unangreifbarkeit zu versehen. Vor allem über metaphorische Konzepte von symbolischer ›Verkörperung‹ institutioneller Gefüge als besondere Form der Präsenzmachung gesellschaftlicher Formationen soll dabei eine unmittelbare Essentialität suggeriert werden und sozialen Ordnungsansprüchen direkt anschauliche Evidenz verliehen werden. Als Zuspitzung architektonischer Körpermetaphorik werden Geschlechtermetaphoriken eingesetzt, um als Musterform vermeintlicher ›Naturwüchsigkeit‹ überzeitliche Stabilität zu suggerieren und die stereotype Erkennbarkeit von Ordnungsarrangements zu sichern. Insbesondere in monumentalen öffentlichen Bauten des 19. Jahrhunderts haben derartige Naturalisierungsentwürfe des Sozialen Gestalt angenommen. Sie stellen damit die Gegenfolie zur postmodernen Dekonstruktion dar, die artistische Künstlichkeit und Durchbrechung vermeintlich ›natürlicher‹ oder sogar ›metaphysisch‹ begründeter Ordnungsmuster baulich ausstellt. Exemplarisch lässt sich dies mit Blick auf ein zentrales Bauwerk der Deutschen Parlamentsarchitektur, den Berliner Reichstagsbau, verdeutlichen. Folgende Grundthesen sollen im Vortrag valide gemacht werden: Nach dem Umbau durch Lord Norman Foster stellt das Gebäude historische Versehrungen seiner Einheitlichkeit zwar wie Narben bzw. Stigmata oder als musealisierte Inszenierung bewusst aus, verweist durch gezielte Verfemdungseffekte auf die Künstlichkeit seiner Konstruktion und, so der Anspruch, die grundsätzliche Kontingenz der es tragenden politischen Bedingungen. Im Kaiserreich aber wurde das Monument vielfach als bauliche Inkarnation, als eine ins Architektonische umcodierte Vitalform der selbst metaphorisch als ›Körper‹ überhöhten Nation gedeutet. Die neu errungene, lang ›erträumte‹ politische Einheit des im imperialen Nationalstaat zusammengefassten Kollektivs sollte, einem Naturereignis analog, materiell anschaulich gemacht werden. Exzessiv und in häufig artistischer Verknüpfung kamen daher im zeitgenössischen Deutungsdiskurs emphatische Körper- und Gendermetaphern zum Einsatz, um ein doppeltes, symbolisches und institutionelles, Problem, aufzufangen: Die auffallende stilistische Heterogenität des eklektizistischen Baus und die zentrifugalen Kräfte des auf föderaler Grundlage beruhenden Reichsgebildes bedrohten den baulichen sowie politischen Einheitsmythos, in dem die Institution des Parlements selbst, die im Bau doch ansässig werden sollte, konsequenter Weise kaum einen Platz fand Architektursoziologie Ad-hoc-Gruppe zum 32. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Ludwig-Maximilians-Universität, München Koordinator: Prof. Dr. Bernhard Schäfers (Karlsruhe) Abstracts Bernhard Schäfers (Karlsruhe), Zur Begründung einer Architektursoziologie Unter den zahlreichen Speziellen
Soziologien hat die Architektursoziologie im deutschen Sprachraum
keinen eigenständigen Stellenwert erhalten. Nach hoffnungsvollen
Ansätzen seit Anfang der 1960er Jahre verlor seit Mitte der 1970er
Jahre die Zusammenarbeit zwischen Architekten, Stadtplanern und
Soziologen an Intensität und Interesse. Die Architektur besann
sich wieder stärker auf ihr Eigenstes, den autonomen Entwurf, die
Soziologie behandelte alle architektursoziologisch relevanten Themen im
Zusammenhang der inzwischen gut ausgebauten Soziologie der Stadt und
des Wohnens.
Das erkenntnisleitende Interesse an der
Architektur liegt in der Relevanz der gebauten Umwelt für die
Vorstrukturierung der Handlungsfelder und – durch die Omnipräsenz
von Bauwerken – als sichtbarster Ausdruck des sozialen und kulturellen
Wandels. Diese sozialen Fakten finden auch in jenen Speziellen
Soziologien zu wenig Berücksichtigung, in denen die „Definition
der Situation“ ganz wesentlich von räumlichen Konstellationen
abhängt, z.B. der Soziologie der Bildung und Erziehung, der
Arbeit, der Familien und Haushalte, der Freizeit und des Sports. Immer
sind gebaute „materielle Substrate“ (Émile Durkheim) ein
wesentliches Element der Handlungsfelder, der Möglichkeiten von
Kommunikation und des Wohlbefindens.
Die Architektursoziologie hat
zunächst nach den Grundlagen der Orientierung der Menschen im Raum
zu fragen. Ein zweites Arbeitsfeld der Architektursoziologie kann
erschlossen werden, wenn die Veränderungen der Sozialstruktur seit
der Doppelrevolution (Eric Hobsbawm) im Spiegel der wichtigsten
Veränderungen architektonischer Stile und Auffassungen dargestellt
werden.
Ein dritter Zugang erschließt sich
über die Wahl spezifischer Themen. Bereits Georg Simmel zeigte,
was unter Gesichtspunkten einer soziologischen Analyse von Raum, Symbol
und Gegenständen sehr heterogener Art – Mode, Schmuck, Stil,
Großstadt – alles zum Thema einer speziellen „Soziologischen
Ästhetik“ bzw. Soziologie der Architektur werden kann: Aber auch
die technischen, ökonomischen und rechtlichen Elemente, wie die
der Kommunikation und Partizipation und schließlich der
Architektur als Beruf, sind Themen der Architektursoziologie.
Joachim Fischer (Dresden), Die Bedeutung der Philosophischen Anthropologie für die Architektursoziologie Helmuth Plessners Begriff der
„exzentrischen Positionalität“ ist wie kaum ein anderer geeignet,
die Relevanz des gebauten und umbauten Raumes für die menschliche
Sozialkonstitution in den Blick zu nehmen. Menschen sind
körpergebundene Lebewesen, „positional“, grenzrealisierend wie
Pflanzen und Tiere, aber – „exzentrisch“ situiert – sind sie
miteinander gezwungen, ihre „Grenzen“ künstlich zu setzen und das
darin errungene Gleichgewicht zu stabilisieren, zu symbolisieren. So
wie sie sich als lebendige Körper in der „Kleidung“ voreinander
disziplinieren und zugleich zur Erscheinung bringen, so im Kontroll-
und Ausdruckscharakter ihrer „schweren“, „trägen“ Gebäude.
Als exzentrisch positionierte Lebewesen können sie nahezu
ubiquitär siedeln und müssen sich doch zugleich an einer je
spezifischen Stelle niederlassen, verorten, bauen, bleiben (wie
vorübergehend auch immer). Sie wohnen und gebrauchen diesen je
markierten Raum, und zugleich kommunizieren sie im und durch den
bebauten, damit beharrlichen Raum: schließen sich ab und andere
ein (durch Fortifikation etc.) und räumen sich einander (auf
öffentlichen Plätzen etc.) Raum zur Darstellung und
Repräsentation ein, verhüllen und verschonen sich hinter
Fassaden. Die leibphänomenologischen (Hermann Schmitz) bzw.
leibästhesiologischen (Plessner) Befunde der philosophischen
Anthropologie lassen beobachtbar werden, wie Menschen aus ihren
positionalen Raumerfahrungen dieses „schwere“ Kommunikationsmedium der
Architektur codieren (Innen/Außen, Engung/Weitung etc.).
So gesehen erläutert Philosophische
Anthropologie nicht nur die Voraussetzungen der Soziologie des Raumes
(Simmel) und der Soziologie der Stadt (Bahrdt). Sie rückt
Architektursoziologie gleichsam ins Zentrum der soziologischen
Theoriebildung. Systematisch beobachtbar wird die Ko-Evolution von
„leichten“, geflügelten Kommunikationsmedien und „schweren“,
massiven Kommunikationsmedien. Schrift als Paradigma aller
geflügelten Medien löst sich ab von lokaler Kommunikation
unter Anwesenden, aber sie kann Bauten als dauerhaft präsente
Kommunikationsmedien vor Ort nicht auflösen
Herbert Schubert (Köln), Empirische Architektursoziologie Nach der Symboltheorie von Norbert Elias
repräsentiert die Fähigkeit zu Sendung und Empfang von
Botschaften die fünfte Dimension der Symbole. Eine
Architektursoziologie, die entsprechend symboltheoretisch fundiert
wird, muss die in den Raum eingebettete Architekturgestaltung als erste
Symbolebene und die Raumkultur als zweite Symbolebene empirisch
untersuchen: (a) Die Genese der räumlichen und
gegenständlichen Gestalten sowie der Bedeutungen wird in einer
Längsschnittperspektive zur Synthese gebracht; (b) die
Abhängigkeiten der Formen und Elemente in den Mustern symbolischer
Gestaltung und Nutzung werden analytisch zu einem Zeitpunkt untersucht.
Dadurch wird empirisch nachvollziehbar, in welcher Weise die bauliche
Anordnung von Gegenständen im Raum den Entwicklungsstand der
jeweiligen gesellschaftlichen Figuration widerspiegelt.
Riege und Schubert (2. Auflage, 2004)
haben mit dem methodischen Modell der „integrierten Sozialraumanalyse“
einen empirischen Weg beschrieben, die symbolischen Facetten von Raum
und Architektur hinreichend zu erfassen: In der Sozialraumanalyse
werden (1) die materiellen Erscheinungsform des Raumes wie zum Beispiel
die physischen Grundlagen, (2) die Interaktions- und
Handlungsstrukturen der Erzeugung, Nutzung und Aneignung des Raumes
sowie seiner architektonischen Gegenstände und (3) das
räumliche Zeichen- und Symbolsystem sowie die (historischen)
Enstehungsbedingungen systematisch betrachtet.
An Hand des Zusammenhangs zwischen
wachsenden Interdependenzgeflechten in großen Städten auf
der einen Seite und den Gestaltungs- sowie Nutzungsformen auf der
anderen Seite wird die empirische Annäherung veranschaulicht.
Katharina Weresch (Hamburg), Der Prozess der Wohnzivilisierung - architektursoziologisch betrachtet Im Verlauf des Jahrhunderte dauernden
Zivilisationsprozesses entwickelten sich langfristige Empfindungsstandards, deren
Ursprünge uns nicht mehr bekannt sind, die aber verhaltenskonstituierende
Merkmale aufweisen. Norbert Elias bezeichnete diesen Vorgang als „soziogenetische“
Strukturierung von Gesellschaften. Zivilisatorische Prägungen der Vergangenheit wirken
auf unsere gegenwärtigen Empfindungen gegenüber der Architektur teilweise
unerkannt ein. Das gesamte architektonische Denken und Handeln, die Wahrnehmung des
gebauten Raumes, das Verhalten in
Gebäuden und das Entwerfen und Bauen von Gebäuden wurde von
den sich über
Jahrhunderte entwickelten Machtverhältnissen zwischen den
Ständen bzw. Schichten,
Milieus und Geschlechtern geprägt.
Die Wohnzivilisierung beginnt mit den
Wohnverhältnissen unter Ludwigs XIV. in Frankreich (Elias) und reicht bis zum
Wohnungsbau der Neuzeit, weil die französischen höfischen Raumstandards von den
bürgerlichen Gesellschaften Europas im 18. und 19. Jh. selektiv übernommen
und in Teilstrukturen noch in den Raumstandards der deutschen Bürger und
Arbeiterschaft im 20. Jh. wirksam sind. Im Verlauf der Wohnzivilisierung verändern sich
die Räume des Wohnens, des Essens, des Kochens, der Kinder, des Arbeitens, des Schlafens
und der Körperentleerung und Körperreinigung in Abhängigkeit vom
Gesellschaftswandel.
Die Erforschung des Prozesses der
Wohnzivilisierung zeigt uns die Ursachen und Folgen des langfristigen Wandels des
Wohnens, Wohnungs- und Städtebaus. Sie zeigt auch, wie die architektonischen
Raumbildungen der Planer die sozialen Strukturen der Wohnungen und Wohnumgebungen
prägen, um als Gestaltungsmacht die Empfindungs- und Verhaltensstandards und
das Handeln der Bewohner zu determinieren. Sie reflektiert die Transformationen der
gesellschaftlichen Machtverhältnisse im Wohnungs- und Städtebau und die
Konflikte zwischen traditionellen Architekturstandards und gegenwärtigen Wohnanforderungen
Gabriela Christmann (Kiel), Architektur als Element der Stadtkultur Die architektonische Gestalt von
Städten ist materialisierte Geschichte. Die kulturhistorischen Epochen haben sich mit ihren Denkungsarten
in Form von baulichen Manifestationen auf unterschiedliche Weise in die
jeweiligen Stadtgestalten ‚eingeprägt’. Jede Stadt hat in dieser Hinsicht
‚Individualität’. Stadtbewohner können daraus Identität beziehen. Der Beitrag wird am Beispiel von
Dresden aufzeigen, dass Architektur ein zentrales Element der Stadtkultur und
der städtischen Identität sein kann. Es wird argumentiert, dass die Bedeutung von
Architektur bzw. von Bauwerken über kommunikative Vorgänge hergestellt wird.
Die Analysen erbrachten, dass schon in der
frühesten Dresden-Literatur (seit 1607) und in der frühesten Lokalpresse
(seit 1749) regelmäßig Bauwerke erwähnt werden und dass die Thematisierung von Bauwerken
und deren Bauweise untrennbar mit Ästhetisierungen verbunden ist.
Dieses Phänomen hat sich bis heute gehalten: Vor allem die architektonische Gestalt des
„alten Dresdens“ wird unter ästhetischen Gesichtspunkten beschrieben und zu einem ästhetischen
Ideal gemacht. Die Zerstörung dieser Architektur im Jahre 1945 wird zu
einer ästhetischen Katastrophe stilisiert, die zu Verlusterfahrungen führte. Der
Aufbau Dresdens stellt sich als ein Ringen um die Wiedergewinnung von Ästhetik in der
Architektur, und zwar nach altem Muster, dar. Städtebauliches Handeln wird
typischerweise vor dem Hintergrund bewertet, inwiefern es kulturhistorische Denkmäler achtet
und pflegt, inwiefern es dem Primat der Ästhetik huldigt. Der Verfall von
Bausubstanz wird als ein schmerzlicher ästhetischer Verlust, gelungene historisierende
Rekonstruktionen werden als ästhetischer Gewinn, moderne
Glas-Stahl-Beton-Architekturen in einem „sensiblen“ Umfeld werden als ästhetische Störungen – wenn
nicht sogar als ästhetische Beleidigungen – beschrieben. Dresdner werden als
Stadtbürger dargestellt, die einen Sinn für Ästhetik haben und die sich im Rahmen eines
ausgeprägten Interesses für die Stadtentwicklung für die Rekonstruktion der
ästhetischen Architektur des „alten“ Dresdens einsetzen |
Kontakt:
heike.delitz [at] ur.de
für die Sektion Stadt- und Regionalsoziologie: Prof. Dr. Silke Steets steets [at] fau.de Mailliste des AK Architektursoziologie Möchten Sie die Liste - und damit die News des AK Architektursoziologie - abonnieren, geben Sie bitte folgende Adresse direkt in die Adresszeile Ihres Browsers ein und tragen Sie dort Ihre Email-Adresse und Ihren Namen ein. https://lists.gugw.tu-darmstadt.de/mailman/listinfo/ag-architektursoziologie Die Liste ist so konfiguriert, dass alle, die angemeldet sind, die Beiträge der Liste erhalten und zugleich auch selbst Beiträge über die Liste veröffentlichen können. |