|
Heike Delitz | ||
|
|||
Lehrveranstaltungen: Archiv
|
|
Es geht vornehmlich um die klassischen
Ansätze und die konkreten Studien der Wissenssoziologie. Nur vergleichend interessieren demgegenüber die neueren
wissenssoziologischen Ansätze, namentlich
die 'Neue Wissenssoziologie' der Konstanzer Schule. Die klassische Wissenssoziologie interessiert sich für die soziale Bedingtheit des Wissens; sie reagiert dabei auf die Ideologiekritik seitens marxistischer Denker und auf die Philosophie- und Moralkritik seitens der nietzscheanischen Lebensphilosophie. Insbesondere in den 1920er Jahren, der Zeit der Weltanschauungskämpfe und der sozialen Radikalismen (Plessner), läuft sie zu ihrer Hochform auf: und macht begreiflich, dass verschiedene soziale Positionen (Mannheim; "Standorte") mit verschiedenen Kategorien, Denkweisen, Weltbildern einhergehen; und dass verschiedene Gesellschaften verschiedene Leitbegriffe oder Leitsemantiken haben - nicht zuletzt auch in Hinsicht auf das Menschenbild, die Anthropologie. Neben Mannheims fulminanter Studie zur konservativen und liberalen Denkweise wird insbesondere auch Helmuth Plessners Wissenssoziologie des deutschen 'bürgerlichen Geistes' gelesen, samt ihrer Fundierung in einer raffinierten lebensphilosophischen Anthropologie, die von der "Unergründlichkeit" des Menschen ausgeht. Im Unterschied zur Neuen Wissenssoziologie geht es der klassischen Wissenssoziologie weniger um die Konstruktion der Alltagswirklichkeit, als um das Wissen in 'Höhenkammlage': um das politisch jeweils relevante Wissen, oder um das 'Leitwissen' einer Gesellschaft. 1 Karl Marx, Die deutsche Ideologie (1845), daraus: Die Ideologie überhaupt, namentlich die deutsche (aus der Kröner-Ausgabe Stuttgart 1953), S. 339-378. 2 Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse. Zur Genealogie der Moral (1887). KSA 5. München/Berlin 1988, 257-289; daraus: Vorrede (S. 247-256) und Erste Abhandlung (S. 257-289). 3 Max Scheler, Das Ressentiment im Aufbau der Moralen (1912/1915), in: Vom Umsturz der Werte. Abhandlungen und Aufsätze (GW 3), 5. Aufl. Bern 1972, 33-147, gelesen wird: 37-72 4 Max Scheler, Die Wissensformen und die Gesellschaft, Leipzig 1926, 47-122, 154-60, 187-193, 204-210, 229. 5 Max Scheler, Philosophische Weltanschauung, in: GW 9, Späte Schriften, 75-116; und ders.: Der Mensch im Weltalter des Ausgleichs, ebd., 145-170. 6 Karl Mannheim, Konservatismus. Ein Beitrag zu einer Soziologie des Wissens (1925). Hg. von David Kettler, Volker Meja, Nico Stehr. Frankfurt/M. 1984, 47-148, 219-223. 7 Karl Mannheim, Wissenssoziologie, in: Alfred Vierkandt (Hg.), Handwörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1931, 659-680 (hier aus der Studienausgabe, 216-235) 8 Karl Mannheim, Ideologie und Utopie (1929). 5. Aufl. Frankfurt/M. 1969, 49-83. 9 Helmuth Plessner, Abwandlungen des Ideologiegedankens (1931), in: Meja/Stehr, Der Streit um die Wissenssoziologie, Frankfurt/M. 1982, 637-662. 10 Helmuth Plessner, Schicksal deutschen Geistes im Ausgang seiner bürgerlichen Epoche. Zürich/Leipzig: Niehans 1935. Seit 1959 unter dem Titel: Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit bürgerlichen Geistes. Frankfurt/M., 30-42, 65-85, 103-118. 11 Helmuth Plessner, Macht und menschliche Natur. Ein Versuch zur Anthropologie der geschichtlichen Weltansicht (1931), in: GS V, Frankfurt/M. 1981, S. 135-234, daraus: 140-144, 175-200 12 Helmuth Plessner, Einleitung, in Peter L. Berger/Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Übersetzt von Monika Plessner, Frankfurt/M. 1969, IX-XVI 13 Dirk Tänzler, Von der Seinsgebundenheit zum Seinsverhältnis. Wissenssoziologie zwischen Gesellschaftstheorie und Hermeneutik der Kulturen, in: ders./Knoblauch, Hubert/Soeffner, Hans-Georg (Hg.): Neue Perspektiven der Wissenssoziologie. Konstanz 2006, 317-336 |
|
|||
|
Das Seminar interessiert sich innerhalb der neuen Disziplin Architektursoziologie insbesondere für die soziologische Theorie und Kultursoziologie der Architektur:
es geht um die möglichen Konzeptionen der Relation von Architektur
und Gesellschaft, also um die Frage, welche Bedeutung man der
Architektur für die Gesellschaft und das Soziale soziologisch
zuerkennt, und welchen Stellenwert entsprechend die
Architektursoziologie hat. Im Block 1 werden implizite Klassiker der Architektursoziologie gelesen; im Block 2 neuere architektursoziologische (und verwandte) Ansätze. Block 3 stellt sehr kurz eine eigene soziologische Theorie der Architektur vor, welche die Architektur nicht als einen bloßen Ausdruck der Gesellschaft, sondern als deren Medium konzipiert. Die Aufmerksamkeit liegt sowohl auf einer Artefaktsoziologie (in der ‚Mikroebene‘ der Körper und Aktionen) als auch auf einer Gesellschaftstheorie (in der ‚Makrobene‘) sowie – in Hinsicht auf die Besonderheit der Architektur in der modernen Gesellschaft - auf einer Handlungstheorie der Kreativität. Die Diskussionsgrundlage bilden hier nicht nur architektursoziologische Texte, sondern allgemeine soziologische Theorien (Castoriadis, Gehlen), die auf die Architekturfrage zu übertragen sein werden. Block 4 wird vor dem Hintergrund der Theorieüberlegungen konkrete Architekturen betrachten. Sie können und sollen in das Programm (eines Seminars im Hauptstudium) insbesondere an dieser Stelle selbst eingreifen: indem Sie versuchen, selbst gewählte architektonische Phänomene soziologisch zu betrachten. |
|
Es
handelt sich um eine Einführung in die im Entstehen befindliche
Disziplin Architektursoziologie, verstanden als eine Kultursoziologie:
die sich um die kulturellen 'Objektivationen' und deren Bezug zur
Gesellschaft befasst und die die kulturellen Objekte methodisch als
"Senkblei" (Simmel) für die Analyse der modernen Gesellschaft nutzt. Dazu werden (implizite) Klassiker der
Architektursoziologe gelesen, sowohl aus der deutschsprachigen
Soziologie als auch aus der französischen Soziologie. Drittens werden
soziologisch interessante Texte seitens der Architekten selbst gelesen. Architektursoziologie
interessiert sich - anders als die Stadtsoziologie, für die die
Stadt stets eine 'Lebensweise' ist, keine Materialität - für das
Gebaute selbst: für dessen Expressivität in Hinsicht auf die
Gesellschaft und für dessen Einwirkung auf die Bewegungen, Blicke,
Beziehungen der Einzelnen. Es geht einer Architektursoziologie
im hier verstandenen Sinn also sowohl um das Artefakt (das Gebaute als
unser Lebensumraum), als auch um die Architektur als Gestalt, als
'Gesicht' der Gesellschaft, das sich diese selbst 'wählt'. Über
diese Frage nach der Phänomenalität und Materialität der Architektur
hinaus sind natürlich weitere soziologische Perspektiven auf die
Architektur denkbar: etwa eine Professionssoziologie oder eine
Intellektuellensoziologie der Architektur. |
|
Es
werden zwei
Themenschwerpunkte behandelt - jeweils mit einer praktischen Aufgabe
und gestützt durch theoretische Reflexionen und Lektüren. Im ersten Teil geht es um die Realisierung eigener Forschungen: also um die Frage, wie sich die wissenschaftliche Forschung durch die Gesellschaft finanzieren lässt. Hierzu sind neben Überlegungen zur Position der Wissenschaft als Teilsystem in der Gesellschaft vor allem eigene Recherchen zu Organisationen, Institutionen und Fördereinrichtungen (für die Sozialwissenschaften) nötig. Letzlich soll es sich darum handeln, in der Simulation ein eigenes Forschungsprojekt zu beantragen, entweder als Einzelprojekt oder als Kooperation in einer Forschergruppe. Zweitens geht es um die Stellung des Wissenschaftlers in der Gesellschaft, in seiner Funktion als Intellektueller. Hier wird es um die Frage gehen, wie sich Wissenschaftlicher in der Öffentlichkeit in brisanten, gesellschaftlich relevanten Themen und Debatten Gehör verschaffen, welche Strategien der Verbündung, Publikation, der Analyse es gibt und anzuwenden sein könnten. Auch hier wird ein eigenes Projekt zu erarbeiten sein. Zur Simulation der Projekte gehört nicht nur die Erstellung eines Antrages bzw. die Publikation, sondern auch die Entwicklung einer schlüssigen, Resonanz erzeugenden Idee, die Recherche nach Forschungsförderungsmöglichkeiten, der Erarbeitung des Forschungsstandes, eines Zeitplanes, die Suche nach Kooperationspartnern etc. Das Seminar richtet sich an diejenigen, die über das Studium hinaus ein Interesse an eigenen wissenschaftlichen Forschungen und intellektuellen Interventionen haben, und bereit sind, die angesprochenen Übungsaufgaben seminarbegleitend zu bewältigen. Der Ablauf sieht vier eigene Präsentationen vor, je eine Zwischen- und Endpräsentation der Vorhaben in den beiden Teilen (s.u.). |
Gegenstand des Seminars ist das Werk
Arnold Gehlens, einem maßgeblichen Philosophischen Anthropologen
und Soziologen des 20. Jahrhunderts. Gelesen werden seine Texte zur
Philosophischen Anthropologie, zur Techniktheorie, Sprachtheorie,
Sozialtheorie (die Institutionentheorie), zu seiner kritischen
Gesellschaftstheorie der modernen Industriegesellschaft, zur Ethik und
Moraltheorie sowie seine Texte zur Ästhetik und Soziologie der
modernen Kunst.
Arnold Gehlen, Philosophische Anthropologie und Handlungslehre. Arnold-Gehlen-Gesamtausgabe 4, hrsg. von K.-S. Rehberg, Frankfurt 1983 Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Textkritische Edition. Hrsg. von K.-S. Rehberg. 2 Teilbde. AG 3, Frankfurt a. M. 1993 Die Seele im technischen Zeitalter. In: AG 6: Die Seele im technischen Zeitalter und andere sozialpsychologische, soziologische und kulturanalytische Schriften. Hrsg. von Karl-Siegbert Rehberg. Frankfurt a. M. 2004, 1-140 Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebnisse und Aussagen, Frankfurt/M. 2004 Zeit Bilder. Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei. Frankfurt a.M./Bonn: Athenäum 1960 Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik. Frankfurt a.M.: Athenäum 1969 |
|
|||
Das
Seminar Stadt- und Architektursoziologie will den Blick für die
verdoppelte
„Stadt“ einüben: einerseits für die Stadt als Sozialraum, die
vielfältigen
privaten und öffentlichen Interaktionen in der Stadt. Andererseits
für die
Stadt als „Architektur“, als gebauten Raum, für die Artefakte
hinsichtlich
ihrer Effekte für das Soziale. Wie gestaltet sich einerseits die
soziale
Anonymität im Stadtkörper – und wie gestaltet andererseits
die Stadtarchitektur
die Kommunikationen in der Stadt? Ist Architektur „Ausdruck“,
„Anzeiger“ oder
„Spiegel“ von Gesellschaft; oder „Medium“ des Sozialen, im
„Gefüge“
artifizieller, organischer und sozialer Elemente? Siedeln und Bauen sind zunächst soziale Universalphänomene und damit sozialtheoretisch einschlägig. Andererseits sind spezifische Städttypen (die „okzidentale Stadt“ (Weber), die „moderne Großstadt“ (Simmel)) gesellschaftstheoretisch als zentrale Phänomene in der Genese und Entwicklung der modernen Gesellschaft thematisiert worden. Es geht also immer auch um den Theoriestatus der „Stadt“ in der soziologischen Theorie. Das Seminar will prüfen, ob nicht gegenläufig zu den soziologischen Gegenwartsdiagnosen einer Diskurs-, Informations- und Mediengesellschaft gerade dem kommunikativen Stadtbaukörper eine begründbare Relevanz zukommt. Vor diesem Hintergrund kann es interessant sein, methodisch architektonische Phänomene zum Instrument der Gegenwartsdiagnose zu machen – als „kultursoziologisches Senkblei“, wie Georg Simmel sagte. Nicht zuletzt sind auch die architektonischen Visionen soziologisch aufschlussreich. Ein thematischer Fokus wird auf der Stadt-Architektur des 20. Jahrhunderts liegen, in deren Architekturparadigmen und –debatten vom Bauhaus bis zum Dekonstruktivismus die Architektur der Stadt als „kulturelles Leitmedium“ einer Massen- und Weltgesellschaft sichtbar wird. |
»Leben«
ist das folgenreiche Phänomen der Natur
zwischen den unbelebten Dingen und der menschlichen Gesellschaft. Leben
ist
emergent, eigengesetzlich, selbstreproduzierend, schöpferisch und überschießend; und Leben kann
erkranken und degenerieren.
Der
Begriff des »Lebens«
hat die Soziologie von Beginn an fasziniert.
Das
Seminar rekonstruiert zum einen
(theoriegeschichtlich) lebensphilosophische Denkfiguren in
soziologischen
Theorien. Zum anderen interessiert es sich (sozialtheoretisch) für
Grundphänomene des Lebens in Bezug auf die Vergesellschaftung.Hinsichtlich der Konzeption des Verhältnisses von Leben und Gesellschaft lassen sich mindestens folgende Denktraditionen unterscheiden: Die französische vitalistische Tradition begreift Leben mit Bezug auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Sinne kollektiver schöpferischer Überschussphänomene, in denen das volle Leben aufblitzt: in Religion (Durkheim) oder Ökonomie (Bataille). In dieser Tradition steht auch die Diagnose und Kritik einer »biopolitischen« Vergesellschaftung (Foucault). Die englischsprachige pragmatistische Tradition (Dewey, Mead) denkt den Bezug von Leben und Gesellschaft in der Tradition der Evolutionsbiologie. Leben wird hier als Problem-Lösungs-Prozess aufgefasst, der bereits subhuman als Sozialprozess verläuft; Vergesellschaftung erscheint dann als emergentes Phänomen, das in komplexen Interaktionen entsteht und qualitativ neue Problemlösungen ermöglicht. Die deutsche lebensphilosophische Tradition konzipiert das Verhältnis von Leben und Gesellschaft zum einen in Bezug auf Dilthey (›Erlebensphilosophie‹), zum anderen in Reaktion auf Nietzsche als das prominente und spezifische Thema der Geistes- und Sozialwissenschaften. Von Nietzsches lebensphilosophischer Kulturkritik sind die Theorien der modernen Gesellschaft (u.a. »okzidentale Rationalisierung« bei Max Weber, »Tragödie der Kultur« bei Georg Simmel, »Kolonialisierung der Lebenswelt« bei Jürgen Habermas) nicht unbeeinflusst. Die Lebensphilosophie ist schließlich auch für die Philosophische Anthropologie und deren Sozialtheorie relevant. Literatur Otto F. Bollnow, Die Lebensphilosophie, Berlin u.a. 1958, 1-25 Wilhelm Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften (1910), Frankfurt/M. 1981, 157-185 Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse. Zur Genealogie der Moral (1887). Kritische Studienausgabe, Hg. von Colli/Montinari, Band 5. München/Berlin 1988, 257-289 Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik (1872), KSA 1, 27-34 (Absatz 1-2); 52-57 (Absatz 7); 102-108 (Absatz 16) Emile Durkheim, Die elementaren Formen des religiösen Lebens (1912). Frankfurt/M. 1981, 285-314 Henri Bergson, Schöpferische Entwicklung (1912), Zürich o.J., 129-147; 267-275 Henri Bergson, Die beiden Quellen der Moral und Religion (1932), Frankfurt/M. 1992, 207-224 Georg Simmel, Lebensanschauung. Vier metaphysische Kapitel, München/Leipzig 1918, 1-27 Georges Bataille, Die Aufhebung der Ökonomie. Das theoretische Werk 1, München 1985, 9-31 Gilles Deleuze/Félix Guattari, Tausend Plataeus: Kapitalismus und Schizophrenie, Berlin 1992, 11-43 Cornelius Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution. Entwurf einer politischen Philosophie, Frankfurt/M. 1984, 217-233 |
Kultursoziologie
lässt sich einerseits als grundlegender "Denkansatz" in der
Soziologie verstehen, der von der kulturellen Bedingtheit oder
Vermitteltheit alles Sozialen ausgeht. ‚Kultur’ ist dann ein
soziologischer Grundbegriff wie der der ‚Gesellschaft’. Behandelt
werden klassische Texte der Kultursoziologie, in denen dieser
Denkansatz in besonderer Weise begründet und durchgeführt
wurde. Andererseits
(und üblicherweise)
fungiert Kultursoziologie als
Sammelbegriff spezieller Soziologien, also Teil-"Disziplinen" der
Soziologie, die sich jeweils mit spezifischen Feldern der Kultur
beschäftigen: Religion, Wissenschaft, Literatur, Kunst, Musik,
Architektur. Im zweiten Teil der Lehrveranstaltung werden solche
speziellen Soziologien an je einem gegenwärtig relevanten Beispiel
durchgeführt. Literatur Karl-Siegbert Rehberg, Kultur versus Gesellschaft? Anmerkungen zu einer Streitfrage in der deutschen Soziologie, in: Friedhelm Neidhardt/M. Rainer Lepsius/Johannes Weiß (Hg.), Kultur und Gesellschaft, SH 27 der KZfSS (1986), S. 92-117 Klaus Lichtblau, Kulturkrise und Soziologie um die Jahrhundertwende. Zur Genealogie der Kultursoziologie in Deutschland, Frankfurt/M. 1996 Friedrich H. Tenbruck, Die Aufgabe der Kultursoziologie/Repräsentative Kultur, in: ders., Perspektiven der Kultursoziologie. Gesammelte Aufsätze, Opladen 1996 Georg Simmel, Schriften zur Soziologie, Frankfurt/M. 1983 Max Scheler, Die Wissensformen und die Gesellschaft, Leipzig 1926 Karl Mannheim, Wissenssoziologie, in: Alfred Vierkandt (Hg.), Handwörterbuch der Soziologie,Stuttgart 1931, 659-680 Arnold Gehlen, Zeitbilder. Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei, Frankfurt/M. 1960 Niklas Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt/M. 1995 Theodor Geiger, Aufgaben und Stellung der Intelligenz in der Gesellschaft, Stuttgart 1949 Alois Hahn, Glaube und Schrift - oder die Selbstthematisierung von Hochreligionen, in: ders., Konstruktionen des Selbst, der Welt und der Geschichte, Frankfurt/M. 2000, S. 237-262. Siegfried Kracauer, Film 1928, in: ders., Das Ornament der Masse. Essays, Frankfurt/M. 1977, S. 295-311 Michel Foucault, Überwachen und Strafen, Frankfurt/M. 1976 Pierre Bourdieu, Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt/M. 1987 |
Das
utopische
Denken, oder allgemeiner: Projekte zukünftiger Wirklichkeiten,
haben eine lange
Tradition. Man kann solche Vorwegnahmen der Zukunft als
anthropologische
Konstante begreifen; dabei tritt es kulturhistorisch und
gesellschaftlich in
ganz verschiedenen Ausprägungen und Medien auf. Soziologisch interessant ist, dass solche Projekte immer in einer gesellschaftlichen Situation entstehen, auf die sie bezogen werden können. Utopien geben Auskunft über die Gesellschaft, in der sie entstehen, auch im Falle von Dystopien, also der Warnung vor einer Zukunft. Insofern können sie als ein Organon der Gesellschaftsdiagnose betrachtet werden. Versucht wird eine möglichst umfassende soziologische Betrachtung utopischen Denkens: In Frage steht zunächst die Unterscheidung und Reflexion der verschiedenen Arten utopischen Denkens (Utopie, Dystopie, Kontrastwirklichkeiten) und angrenzender Begriffe (Phantasie, kreatives Handeln, Planung, Entwurf, Kontingenz, Vergangene Zukunft, Science Fiction) in Hinsicht auf deren sozialtheoretische Verortung sowie die Frage nach der anthropologischen Begründung utopischen Denkens. Zweitens geht es um eine wissenssoziologische Analyse des utopischen Denkens. Drittens werden Klassiker des utopischen Denkens (Platon, Morus, Campanella, Proudhon, Fourier, Bloch) und aktuelle Texte gesellschaftstheoretisch und wissenssoziologisch, in Hinblick auf die jeweilige gesellschaftliche Ursprungs- und Absprungssituation, analysiert. Abschließend sollen konkrete Phänomene dystopischen/utopischen Denkens in einer Literatur- (etwa Orwell, Kubin, Kafka) und einer Architektursoziologie der Utopie (etwa Taut, Le Corbusier, Hilbersheimer, Fuller) untersucht werden. |
Ziel
ist es, Methoden der Kultursoziologie aus verschiedenen Denkrichtungen
der sozioloigischen Theorie zu vergegenwärtigen (Positivismus,
Phänomenologie, Hermeneutik, Wissenssoziologie, Strukturalismus,
Funktionalismus etc.). Die Besonderheit der Lehrveranstaltung besteht
darin, die jeweiligen Methoden an einschlägigen "Klassischen"
Fallstudien zu rekonstruieren, in ihren wissenschaftstheoretischen
Voraussetzungen und in ihrer Erschließungskraft darzustellen
sowie in ihrer Übertragbarkeit zu diskutieren. Behandelt werden sollen u.a. positivistische Methode (Durkheim, Selbstmordstudie), empirische Sozialforschung/Soziographie (Lazarsfeld/Jahoda/Zeisel, Marienthalstudie), Wissenssoziologie (Mannheim, Konservatismusstudie), Ethnografie (Geertz, Dichte Beschreibung des balinesischen Hahnenkampfes), phänomenologische Beobachtung (Popitz/Bahrdt, Technik und Industriearbeit), Leitfaden-Interviews (Popitz/Bahrdt, Das Gesellschaftsbild des Arbeiters), objektive Hermeneutik (Oevermann, TV-Ansage: Guten Abend…), Cultural Studies (Fiske, Wie ein Publikum entsteht), strukturalistische Methode (Barthes, Sprache der Mode), oral history/biographische Methode (Znaniecki/Thomas, The Polish peasant), Diskursanalyse (Foucault, Sexualität und Wahrheit), Funktionsanalyse (Luhmann, Ökologische Kommunikation). |
Das
Seminar widmet sich dem Thema in drei Zügen: Zunächst geht es
um die speziellen Soziologien Stadt-, Regional-, Planungs- und
Wohnsoziologie, wie sie sich in den 1960er und 1970er Jahren in der BRD
etablierten. Diese haben sich zum einen intensiv mit dem Thema Stadt
auseinandergesetzt, vor dem Hintergrund des notwendigen raschen und
umfassenden Aufbaus der deutschen (Innen-)städte, um Stadtkritik
und Milieuforschung im Interesse einer sozialwissenschaftlich belehrten
Planungspraxis. Zum anderen ging es um Prozesse, Vorstellungen und
Kritik des Wohnens. Als Klassiker der Stadtsoziologie werden Georg
Simmel und Max Weber gelesen. Zugleich interessieren die
gegenwärtigen Tendenzen, die auch in anderen Disziplinen wie der
Human Geography verfolgt werden: die Erforschung von
Stadt-Land-Unterschieden, Migrations- und Segregationsprozessen und der
Entstehung von „Global Cities“. In einem zweiten Zug geht
es zum einen um die theoretischen Grundlagen einer
Architektursoziologie, zum anderen um die Frage, wie sich prominente
soziologische Perspektiven der Architektur nähern. Im dritten Zug
wird es um eine Architektursoziologie im eigentlichen Sinn gehen.
Ihr geht es nicht um Städtebau, sondern um Architektur, also um
einzelne architektonische Phänomene. In Frage steht, wie die
Architektur in die Struktur und Erfahrung moderner Gesellschaft
eingegriffen hat: wie hat sie zum sozialen Wandel beigetragen, und
inwiefern trägt sie bei zu sozialer Ordnung? Architektursoziologie
in diesem Sinn analysiert exemplarische und zugleich paradigmatische
architektonische Phänomene. Gelesen werden (implizite)
architektursoziologische Fallanalysen klassischer Autoren der Soziologie.
|
Die
Idee ist, in die
Theorietechnik und in den Theorienvergleich einzuführen. Als
Ausgangspunkt dienen die Schriften des Philosophen und Soziologen
Helmuth Plessner, einem der interessanten Theoretiker des 20.
Jahrhunderts. Acht seiner Schriften werden jeweils mit denen eines
Vertreters eines anderen Denkansatzes parallel gelesen. Damit
können Studierende ein Spektrum von Teildisziplinen und von
alternativen Theorien kennenlernen und zugleich Theorietechnik und
Theorienvergleich studieren. Der Vorschlag ist, Plessners
‚Wissenschaftliche Idee' z.B. mit Poppers ‚Logik der Forschung'
parallel zu lesen (Wissenschaftstheorie), die ‚Einheit der Sinne' mit
Cassirers ‚Philosophie der symbolischen Formen' (Kulturtheorie),
‚Grenzen der Gemeinschaft' mit Habermas' ‚Theorie des kommunikativen
Handelns (Sozialtheorie), ‚Die verspätete Nation' mit Lukacs'
‚Zerstörung der Vernunft' (Geistesgeschichte), ‚Macht und
menschliche Natur' mit Foucaults ‚Ordnung der Dinge'(Theorie der
Geschichte), ‚Lachen und Weinen' mit Wittgensteins ‚Tractatus
logico-philosophicus', (Wissenschaft vom Ausdruck), ‚Stufen des
Organischen und der Mensch' und Darwins ‚Die Entstehung der Arten'
(Biophilosophie), ‚Conditio humana' mit Butlers ‚Das Unbehagen der
Geschlechter' (Anthropologie)
Literatur Karl-Otto Hondrich, Entwicklungslinien und Möglichkeiten des Theorienvergleichs, in: Rainer Lepsius (Hg.), Zwischenbilanz der Soziologie, Kassel 1974, Stuttgart 1976, 14-36 HP: Mit anderen Augen, in: Gesammelte Schriften, hrsg. v. Günter Dux, Odo Marquard und Elisabeth Ströker unter Mitwirkung v. Richard W. Schmidt, Angelika Wetterer und Michael-Joachim Zemlin, Bd. VIII, Frankfurt a. M. 1985, Karl R. Popper, Logik der Forschung (1934), 3. Aufl., Tübingen 1969 HP: Die Einheit der Sinne. Grundlinien einer Ästhesiologie des Geistes (1923), in: GS III, S. 7-316; Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen (1923-29), Darmstadt 1954-59] HP: Grenzen der Gemeinschaft. Eine Kritik des sozialen Radikalismus (1924). Mit einem Nachwort v. J. Fischer, Frankfurt a.M. 2002 (stw 1540); Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie (1887), Darmstadt 1991 HP: Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie (1928), 3. Aufl. Berlin 1975 (Sammlung Göschen); Charles Darwin, Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl (engl. zuerst 1884), 3. Aufl. Leipzig 1990 HP: Die Stufen des Organischen und der Mensch; Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt/M. 1984 HP: Macht und menschliche Natur. Zur Anthropologie der geschichtlichen Weltansicht (1931), in: GS V, S. 135-234; Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt/M. 1971 HP: Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit bürgerlichen Geistes (1935), 7. Aufl. Frankfurt a.M. 2001 (stw 66); Georg Lukacs, Die Zerstörung der Vernunft (1952), in: Georg Lukacs Werke Bd. 9, Luchterhand 1974 HP: Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenzen des menschlichen Verhaltens (1941), in: GS VII, S. 201-388; Sigmund Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905), 7. Aufl. Frankfurt/M. 1992 HP: Die Frage nach der Conditio humana (1960), in: GS VIII, S. 136-217; Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl (engl. zuerst 1884), 3. Aufl. Wiesbaden 1996 HP: Die Frage nach der Conditio humana; Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt/M. 1991 |
Wie lässt sich die
Stellung des Menschen im Kosmos heute neu bestimmen? Wie hängen
Anthropologie und Biologie, Anthropologie und Soziologie, Anthropologie
und Ethik zusammen? Arlt, G., Philosophische Anthropologie, Stuttgart 2001. Thies, Ch., Einführung in die philosophische Anthropologie. Darmstadt 2004 |
|
|||
Sozialtheorien
als Basis soziologischer Theorien lassen Selbst-, Welt und
Sozialverhältnisse aus der elementaren Begegnung/Interaktion von
ego und alter ego hervorgehen. Sie rekonstruieren, wie sich im Medium
von Blicken und Worten, von Handlungen und Erwartungen, von Gütern
und Gaben dyadische Strukturen von Scham, Tausch, Kampf, Anerkennung,
Kooperation und Liebe bilden. Ein Paradigmenwechsel in der
Sozialtheorie bahnt sich durch systematische Berücksichtigung der
Figur des "Dritten" an, weil erst dadurch Vermittlung, Schiedsrichter,
Konkurrenz, Intrige, Koalition, Delegation und Sündenbock als
weitere fundamentale Strukturen des Sozialen sichtbar werden. An Hand
einschlägiger Autoren (Simmel, Mead, Schütz, Litt, Freud,
Lacan, Sartre, Levinas, Serres, Luhmann) sollen die Theorien basaler
dyadischer und triadischer Figurationen der Interaktion und
Institutionalisierung studiert und in ihrer Konsequenz für die
Gesellschaftstheorie diskutiert werden. |
Literatur Winfried Gebhardt, 'Warme Gemeinschaft' und 'kalte Gesellschaft' . Zur Kontinuität einer deutschen Denkfigur, in: Günther Meister/Henrique R. Otto (Hg.), Der Aufstand gegen den Bürger. Antibürgerliches Denken im 20. Jahrhundert, Würzburg 1999, S. 165-184 Ferdinand Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie (1887), Darmstadt 1991 Emile Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften (frz. 1893), Frankfurt/M. 1992 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. 5., rev. Aufl., bes. v. Johannes Winckelmann, Studienausgabe. Tübingen 1980 Georg Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung (1908). GW Bd. 2, Berlin 1968 Max Scheler, Wesen und Formen der Sympathie (1923), Bonn 1985 Max Scheler, Das Ressentiment im Aufbau der Moralen (1915), in: Gesammelte Werke Bd. 3 Martin Buber, Der utopische Sozialismus (1945), Köln 1967 -- ders., Ich und Du (1923); Stuttgart 1995 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen (1932), Berlin 1963 Helmuth Plessner: Die Grenzen der Gemeinschaft. Eine Kritik des sozialen Radikalismus (1924), Frankfurt/M. 2002 Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bände, Frankfurt/M. 1981 Michael Sandel, Die verfahrensrechtliche Republik und das ungebundene Selbst, in: Axel Honneth: Kommunitarismus. Eine Debatte über die moralischen Grundlagen der Gesellschaft, Frankfurt/New York, S. 18-35 Jean-Luc Nancy, Die undarstellbare Gemeinschaft, Stuttgart 1988 Karl-Otto Hondrich, Hinter den Rücken der Individuen – Gemeinschaftsbildung ohne Ende, in: Claudia Honegger/Stefan Hradil/Franz Traxler (Hg.), Grenzenlose Gesellschaft? Verhandlungen des 29. Kongresses der DGS, Opladen 1999, S. 247-257 Werner Durth, Utopie der Gemeinschaft. Überlegungen zur Neugestaltung deutscher Städte 1900-1950, in: Romana Schneider/Wilfried Wang (Hg.) Moderne Architektur in Deutschland 1900-2000. Macht und Monument, Stuttgart 1998, S. 135-162 |
Durkheim,
Selbstmord (positivistische Methode) Lazarsfeld/Jahoda, Marienthal (Soziographie) Mannheim, Konservatismus (Wissenssoziologie) Geertz, Dichte Beschreibung (Phänomenologie) Oevermann, TV-Ansage (Objektive Hermeneutik) Fiske, Wie ein Publikum entsteht (Cultural Studies) Barthes, Sprache der Mode (Strukturalismus) Niethammer, Volkseigene Erfahrung (Oral history) Foucault, Sexualität und Wahrheit (Diskursanalyse) |
|
Sprache ist die "soziale Tatsache" (Durkheim) und die "soziale Institution" par excellence. U.a. heftet sich wegen der Zeichenhaftigkeit der Gesellschaft die Sozialforschung auch an das Medium "Sprache". Themen der Veranstaltung sind ausgewählte Probleme der sprachlichen Verfaßtheit menschlicher Lebensverhältnisse. Zur Sprache kommt die Sprache als ein soziales Kommunikationsmedium neben anderen (Geld, Macht, Liebe), als eine symboische Form neben anderen (Mythos, Religion, Kunst, Wissenschaft), die Theorie der Sprachspiele und Lebensformen Wittgensteins, die Stilistik und Rhetorik als Sozialkunst, die metaphorologie, das Phänomen der Vielfalt der Sprachen und ihrer Übersetzbarkeit (Fremdverstehen), die physiognomische Kraft der Eigennamen, die Macht des Diskurses. |
Sozialtheorien als Basis soziologischer Theorien lassen Selbst- und Sozialverhältnisse aus der elementaren begegnung / Interaktion von ego und alter ego hervorgehen. Sie rekonstruieren, wie sich im Medium von Blicken und Worten, von Handlungen und Erwartungen, von Gütern und Gaben dyadische Strukturen von Scham, Tausch, Kampf, Anerkennung, Kooperation und Liebe bilden. Ein Pardigmenwechsel in der Sozialtheorie bahnt sich durch systematische Berücksichtigung der Figur des "Dritten" an. |