Prof. Dr. Heike Delitz

      
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Prof. Dr. Heike Delitz
Universität Regensburg

Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur (I:IMSK)
Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft

 

DFG-Projekt: Architektonische Modi der kollektiven Existenz /Architectural Modes of Collective Existence

  • Kulturvergleichende Architektursoziologie / soziologische Theorie des Materiellen, vegleichende Methodologie und vergleichende Gesellschaftsanalyse.
  •  DFG-gefördertes Projekt

Das Projekt verfolgt eine global vergleichende Architektursoziologie. In Fallstudien zu Architekturen in China, Nordafrika und Südamerika, sowie zur europäischen Architektur der Moderne geht es darum, die gesellschaftliche Bedeutung dieser materiellen Kultur herauszuarbeiten – den Beitrag von Architekturen und Infrastrukturen zur Konstitution des Sozialen. Auf Basis des synchronen Vergleichs der in vielen Hinsichten einander entgegengesetzten architektonischen Kulturen verfolgt das Projekt auch eine diachrone Perspektive. Sichtbar werden in den Fällen die jeweiligen gesellschaftlichen Folgen kolonialer und neokolonialer Architekturpolitiken, aus Vergangenheit und Gegenwart.

Ausführlichere Projektvorstellung:

Basis des Projektes ist die theoretische Fassung von Gesellschaft oder Kollektiv als „imaginär instituierten“ (Castoriadis) Einheiten und Identitäten – die gerade daher kulturell konstituiert sind. Nur imaginär mit sich identisch und nur imaginär eine Einheit, ist jede Gesellschaft oder jedes Kollektiv symbolisch oder kulturell konstituiert: in nichtsprachlichen wie sprachlichen Bedeutungssystemen, unter ihnen Architekturen.  Erforscht werden  einander inverse architektonische Kulturen in der Frage, wie in diesen das Kollektiv eine Gestalt erhält, Körper und Blicke geformt werden – invers sind diese Architekturen in der Art des Bezugs der Einzelnen auf den Boden, in deren Verungleichung, in der Sichtbarkeit von Geschichte, im Bezug von Natur und Kultur, usw. In diesen Hinsichten wird die urbane architektonische Kultur der westlichen Moderne als Fall einer urban konzentrierten, Zentrum und Peripherie trennenden architektonischen Kultur (als idealtypischer Fall von „Gesellschaften der Städte“) verglichen mit: der architektonischen Kultur der Tuareg sowie der mongolischen Nomaden (für „Gesellschaften der Zelte“); der architektonischen Kultur der Achuar und der Shuar in Peru und Ecuador (für einen „residentiellen Atomismus“, Ph. Descola 1986); sowie der Han-chinesische Baukultur Yao dong – eine Architektur der Eingrabung in den Boden (für „sociétés à maisons creusées“, J.-P. Loubes 1988). Dieser synchrone Vergleich folgt der Methode und Methodologie der (post-)strukturalen Anthropologie – dem Versuch, „so wenig Ethnozentrist wie möglich“ zu sein (Ph. Descola über Cl. Lévi-Strauss). Von diesem synchronen Vergleich werden (insbesondere in künftigen, kooperativen Forschungsprojekten) historische und aktuelle Transformationen untersucht: Es geht um die jeweiligen Effekte architektonischer Politiken, v.a. um die Transformationen kollektiven Lebens durch koloniale und neokoloniale Architekturen. Im Import europäische Architektur und Infrastruktur, von Materialien, Entwurfsweisen und Formen, in der Veränderung der materiellen Gestalt und der Räume werden die Kollektive andere – das gilt für die massive Urbanisierung Zentralchinas seit den 1980ern, für die Politik der Ansiedlung der mongolischen Nomaden, für die territoriale Beschränkung der Bewegungen der Tuareg oder für die An- und Umsiedlung der Shuar durch Missionare. Deutlich wird hier erneut die Bedeutung und Brisanz von Architekturen für kollektives Leben
  
Publikationen

Theorieperspektive und Methodologie:

Delitz, Heike (2010a): Gebaute Gesellschaft. Architektur als Medium des Sozialen, Frankfurt/M., New York: Campus

(2018a) Architectural Modes of Collective Existence: Architectural Sociology as a Comparative Social Theory, Cultural Sociology 12: 1, 37-57

Vergleichende Fallstudien:

Gesellschaften der Städte und Gesellschaften der Zelte. Zur politischen Effektivität der Architektur, in: Ernst Seidl (Hg.), Politische Raumtypen. Zur Wirkungsmacht öffentlicher Bau- und Stadtstrukturen im 20. Jahrhundert, Göttingen 2009, 15-34

»Die zweite Haut des Nomaden«. Zur sozialen Effektivität nicht-moderner Architekturen, in: Peter Trebsche/Nils Müller-Scheeßel/Sabine Reinhold (Hg.), Der gebaute Raum. Bausteine einer Architektursoziologie vormoderner Gesellschaften, Münster 2010, 83-106
Parasitäre Strategien der De-Konstruktion. Eine architektursoziologische Skizze, dérive. Zeitschrift für Stadtforschung N° 38 (2010): 1, 28-32
Editorial: Rekonstruktion und Dekonstruktion. Soziologische Analysen des aktuellen Städtebaus, dérive. Zeitschrift für Stadtforschung N° 38 (2010): 1, 5-6
Genäht oder gegraben, ephemer oder in die Erde versenkt. Divergente architektonische Modi der kollektiven Existenz, Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 6 (2015), 27-43
Yao Dong (窑洞): Die sich eingrabende Architektur und Gesellschaft in Zentralchina, in: O. Berli/J. Reuter (Hg.), Dinge befremden. Essays zu materieller Kultur, Wiesbaden 2016, 35-44
Divergente Architekturen, divergente Affektkulturen. Architektonische Modi der kollektiven Existenz, kritische berichte 2/2016, 73-85
Architektonische Modi der kollektiven Existenz, in: Blickpunkt Archäologie 2018: 2
(mit Felix Levenson): The Social Meaning of Big Architecture, or the Sociology of the Monumental, in: Felix Levenson et al., eds., Size Matters - Extra-Large Projects in the Ancient World, Bielefeld 2019
Divergente architektonische Modi der kollektiven Existenz - divergente subalterne Räume und Subjekte, Forum Kritische Archäologie 2019
Architectures: Institutions and transformations of collective lives, in: socio.hu. Social Science Review 4 / 2020
Architekturen der Gemeinschaft? Architectures of Community? (dt. und engl. Fassung) GAM 16: gewohnt un/common. Grazer Architekturmagazin 2020, 70-85
A
rchitektonische Modi politischer Existenz, in: Julia Schwanholz/Patrick Theiner (Hg.), Die politische Architektur deutscher Parlamente, Wiesbaden 2020, 455-470
Gesellschaften der Hütten (Sociétés à maisons), in: K. Krauthausen, R. Ladewig (Hg.), Modell Hütte, Zürich 2021, 103-128
Umsiedlungslager und Umsiedlungen: Militärische und missionarische Kolonisierung (Algerien und Peru/Ecuador), in: Annett Bochmann, Felicitas von Schweikerstal (Hg.), Institution Lager. Theorie, globale Fallstudien und Komparabilität, Frankfurt/M. 2023
(mit Stefan Maneval) Architectural Modes of Collective Identity: The Case of Hizbullah's 'Mleeta Tourist Landmark of the Resistance' in South Lebanon, in: Farhan Kahim/Patricia Blessing (eds.), Boundaries, Flows, and the Construction of Muslim Selves through Architecture, London 2023